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Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)

Titel: Gretchen: Ein Frankfurter Kriminalfall (German Edition)
Autoren: Ruth Berger
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natürlich. Aber sie hat es gesehen in den Gesichtern ihrer Geschwister. «Nun reg dich nicht auf, Dorettchen», sagt die Ursel und schluckt heftig, «es ist doch besser, dass sie es nun hinter sich hat.»
     
    Unterdessen sprach der Herr Obristrichter im Namen des Rats über dem blutigen Schwert dem Scharfrichterssohn Hoffmann, selbst Abdecker und Scharfrichter zu Groß-Gerau, die traditionelle Belobigung für den gelungenen Schwerthieb aus:
    «Er hat sein Amt wohl verrichtet und getan, was Gott und die Obrigkeit befohlen hat.»

AM GLEICHEN TAG, DREI UHR NACHMITTAGS
    «DAS IST DOCH! Ich glaub es nicht! Ich glaub es nicht!»
    Die Bauerin nähert sich, den Mund verzerrt vor Wut, der Außentür ihrer Bierstube.
    «Wie kann Er es wagen! Wie kann Er nur sein Gesicht hier noch einmal zeigen!»
    Der junge Mann lacht und nimmt seinen Hut ab. «Ich sehe, Ihr seid mir böse. Aber Ihr müsst mir danken. Ich habe einen Brief bekommen, dass es gibt Schwierigkeiten durch meine Schuld. Und jetzt bin ich hier. Obwohl es war viel besser für mich in Petersburg.»
    Er lässt sich gutgelaunt auf den nächsten Stuhl fallen, der laut kracht, lehnt sich zurück und streckt die langen Glieder von sich, in Blau und Rot gekleidet noch immer, mit einem weiten Mantel. Die Bauerin starrt ihn an. Er legt den Hut auf den Tisch und plappert weiter.
    «Oh, was ich bin müde. Wir sind durchgefahren letzte Nacht, und da, heute morgen, als wir hier waren, wir konnten nicht rein, weil die Tore waren geschlossen wegen irgendeine Hinrichtung von eine Kindermörderin.»
    Die Bauerin schweigt, ein Finger trommelt auf die Schürze.
    «Wo ist sie? Sßüsann? Wie geht es ihr?»
    Die Bauerin schweigt.
    «Oh. Sie hat geheiratet ein andern?» Er lacht.
    Die Bauerin schweigt.
    Minutenlang.
    «Die Hinrichtung», sagt sie endlich, «das war sie.»
    Selten in seinem Leben war der Jan so sprachlos.
    Jedenfalls für fünf Sekunden.
    «O nee», sagt er dann und haut mit der Handfläche auf den Tisch.
     
    Die Bauerin musste sich jetzt erst einmal setzen. Und als sie wieder praktisch denken konnte, da beschloss sie, dass es wenigstens nicht die kleine Eva sein würde, die diesem speziellen Gast sein Essen auf die Stube bringt. Da würd sie doch lieber die Margret für abordnen, gelle.

AM GLEICHEN TAG, ZEHN UHR ABENDS
    EIN SPÄTER Besuch klopfte bei Goethes. Und wer war es? Schon wieder Georg Schlosser!
    Er übertreibt es wirklich mit der Anhänglichkeit, dachte Wolfgang. Aber so etwas war er inzwischen schon beinahe gewohnt, so war es ja auch in Straßburg schon gewesen, diese guten, lieben, aber etwas lästigen Bewunderer, die seine Genialität, sein Charisma umschwärmten und nicht genug von ihm bekommen konnten …
    «Nur eine kurze Stippvisite auf dem Heimweg», begann Georg, «ich lege gar nicht erst ab. Ich hoffe, Ihr habt Euch wieder erholt von dem Entsetzlichen heut Mittag?»
    Ja, hatte man, so halbwegs. Obwohl Wolfgang auch heut Abend noch immer wieder ungebeten diese Bilder vor sich sah, wie der enthauptete Körper so merkwürdig gezuckt hatte. Und wie das Blut wallte aus dem Hals, Himmel. Wiederum kam ihm der Gedanke, um wie viel einfacher es Mädchen hatten: Die durften schwach sein, durften nach Belieben in Ohnmacht fallen bei jeder Gelegenheit. Aber als Mann? Da machte man sich zum Gespött, wenn man zugab, dass einem arg flau geworden war angesichts dieses kopflosen Körpers und dass man auf Wochen hinaus böse Träume befürchtete.
    «Es wird noch ein Nachspiel geben», berichtete Georg. «Der Hoffman bekommt Ärger, der Alte, meine ich, nicht der Sohn. Vorhin hat es zu später Stunde eine Anzeige gegeben beim Jüngeren Bürgermeister: Die Knechte vom Hoffmann hätten heut Nachmittag auf dem Weg zum Gutleuthof gegen Geld den Sarg geöffnet und die Leiche sehen lassen.»
    « Mais c’est l’horreur », murmelt Cornelie.
    «Oh! Verzeih, Cornelia, wie rücksichtslos von mir. Ich hätte nicht mehr kommen sollen, euch so spät am Abend noch ein neues Schreckensbild zumuten …»
    «Na, na. Nun übertreib Er nicht, Schlosser. So empfindliche Mimöschen sind wir Goethes nicht», dekretierte Wolfgang gereizt. «Aber vielleicht ist es jetzt wirklich Zeit, ins Bett zu gehen.»
     
    Die Untersuchung ergab, dass der Sarg nur einmal geöffnet worden war, und zwar am Gutleuthof, direkt am Grab. Der Körper musste sowieso zurechtgelegt werden nach der langen Fahrt, beziehungsweise der Kopf, der in einem solchen Fall natürlich ziemlich herumrollt beim Transport.
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