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Grenzwärts

Grenzwärts

Titel: Grenzwärts
Autoren: Oliver G. Wachlin
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hätte?«
    »Weißt du, wie egal mir das ist?« Ich wende mich ab. Rolands Geschäfte gehen mir so dermaßen am Arsch vorbei, ehrlich. Frischfleisch für die  LAUBAG , dass ich nicht lache …
    Am Postenweg zwischen wilden Wacholderbüschen habe ich meinen alten  GAZ  69  M  geparkt. Ein bulliger Russenjeep mit Zweieinhalb-Liter-Maschine. Direkt daneben steht Rolands neunelfer Porsche. Schwarz, mit fetten, verchromten Auspuffrohren. Was die Goldkettchenträger eben so fahren …
    »Ach, übrigens …«, Roland läuft mir nach, »Jule hat geschrieben.«
    Jule?
    Wie angewurzelt bleibe ich stehen. Hat der Kerl »Jule« gesagt?
    Langsam drehe ich mich zu ihm um.
    »’ne Ansichtskarte aus Düsseldorf.« Roland zieht sie triumphierend aus der Innentasche seines Sakkos. »Sie lässt dich schön grüßen. Unter  P.S. «
    Wie gesagt, ich bin ihm nur körperlich überlegen. Geistig-intellektuell und bei den Mädels schafft er es immer wieder, mir eins auszuwischen. Und sei es nur mit einer zerknitterten Postkarte aus Düsseldorf.
    Mann, ausgerechnet Jule! Julia, die Salsa-Queen,  la chica bossa novissima , die Tangotänzerin …
    »Ich hol sie am Montag vom Bahnhof ab.« Roland drückt mir die Karte in die Hand und steigt in seinen Porsche.
    Vom Bahnhof? Ich kann es kaum fassen. Heißt das, Jule kommt zurück? Zurück ins lauschige Zittau, zurück nach Hause? Ungläubig starre ich auf die Karte, halte sie so, dass das Mondlicht draufscheinen kann. Unglaublich: kein Witz und ganz klar Jules Handschrift. Sie hat sich kaum verändert. Hochgeschwungene, weiche Buchstaben, die in die falsche Richtung kippen. Wie das bei Linkshändern so ist …
    Der Porsche grummelt auf.
    »Hey, warte mal!« Ich renne ihm nach. »Roland!«
    Vergebens. Mit aufgeblendeten Scheinwerfern und durchdrehenden Reifen schießt er davon und verschwindet in der Nacht.
    Wahnsinn! Jule kommt zurück.

1
    EIN FLÜCHTIGER BLICK  auf die Wanduhr in seinem Büro verriet Kriminaloberkommissar Romeo Schwartz, dass er Feierabend machen konnte. Endlich. Der Tag war, wie die vergangenen Tage auch, mit der Aufarbeitung uralter Fälle aus  DDR -Zeiten vergangen. Alles musste neu gesichtet und nach rechtsstaatlichen Maßstäben beurteilt werden, das hatte Kriminaldirektor Dr. Gandolf Habersaath – ein Westimport – so verfügt. Was zur Folge hatte, dass sich die gesamte Polizeidirektion seit Wochen mit staubigen Akten aus dem Archiv herumschlug, anstatt sich mit der Gegenwart zu beschäftigen. Die Ermittlungen zu einem Mord an einem Obdachlosen in den Elbwiesen stagnierten, und um den Raubüberfall auf ein Juweliergeschäft in der Prager Straße kümmerte sich jetzt eine Münchner Versicherungsdetektei. Auslagern von nachgeordneten Prioritäten nannte sich das.
    Verrückt, dachte Schwartz, verrückte Welt.
    Er wollte sich schon den Mantel anziehen und das Büro verlassen, als das Telefon klingelte. Noch war es vor siebzehn Uhr, und Kriminaldirektor Habersaath machte gern Kontrollanrufe, weshalb es sicher besser war, den Hörer abzunehmen. Doch Schwartz hatte sich in seinem Mantel verheddert, war mit dem linken Arm wohl ins Futter des rechten Ärmels geraten, sodass das Telefon wieder verstummte, noch bevor er rangehen konnte. Schwartz verharrte einen Moment. Dann wählte er die Durchwahl des Westimports, um klarzustellen, dass er durchaus noch am Platze war.
    »Tut mir leid, ich kam eben nicht ans Telefon.«
    »Jetzt sind Sie dran«, stellte Habersaaths Vorzimmerdrachen in schönstem Sächsisch fest.
    »Ja.« Schwartz schüttelte den restlichen Mantel ab und setzte sich wieder. »Und was wollte der Chef?«
    »Nichts. Wieso?«
    »Na, hat er nicht eben bei mir angerufen?«
    »Aber nein. Sie haben doch längst Feierabend, nicht wahr?«
    »Tatsächlich?« Schwartz sah erneut auf seine Wanduhr und wartete, bis der große Zeiger um eine Minute auf die Zwölf vorgerückt war. Jetzt war es Punkt siebzehn Uhr. »Stimmt, Sie haben recht.«
    »Na, denn: Wünsche guten Heimflug.«
    »Gleichfalls.« Schwartz legte den Hörer auf und bückte sich nach seinem Mantel, um ihn wieder überzuziehen, als erneut das Telefon klingelte. Mit einem Satz war er dran.
    »Ist doch noch was?«
    »Schon möglich«, antwortete eine rauchige, nicht uninteressant klingende Bonnie-Tyler-Stimme, »sofern ich mit Herrn Schwartz spreche: Herrn …« – der Oberkommissar glaubte, einen spöttischen Unterton zu hören – »… Romeo Schwartz.«
    »Höchstpersönlich«, antwortete er. »Und wer
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