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Grazie

Grazie

Titel: Grazie
Autoren: Chelsea Cain
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er. »Weißt du das noch?«
    Archie schüttelte den Kopf. Er war zugedeckt und fror dennoch.
Er zog die Decke bis zum Hals. Seine Arme und Beine zitterten heftig.
Er hatte Gliederschmerzen.
    »Er sagte, wenn du zwölf Stunden mit dem Naloxon durchhältst,
können sie dir weitere Schmerzmittel geben. Und dich dann langsam
entwöhnen.«
    »Wie lange ist das noch?«, fragte Archie.
    Henry schaute auf seine Armbanduhr und zog die Augenbrauen
hoch. »Sieben Stunden«, sagte er.
    Archie fühlte neue Galle in seiner Kehle aufsteigen. Er drehte
sich auf die Seite und zog die Knie an die Brust. »Red weiter mit mir.«
    Henry setzte sich. »Susan war bei mir«, sagte Henry. »Als wir
dich gefunden haben.«
    Archie krümmte sich. Er hatte Susan nicht in Gefahr bringen
wollen. Aber als er ihr den Hinweis auf Heather Gerber gab, hatte er
gewusst, dass sie die Sache durchziehen würde, falls sie ihn verstand.
Sie hätte Henry die Spur niemals allein verfolgen lassen. Wenn ihr
etwas zugestoßen wäre, könnte er nicht damit leben. »Alles in Ordnung
mit ihr?«, fragte er.
    »Sie wird mit dir sprechen wollen«, sagte Henry. »Ich habe ihr
erlaubt, über alles zu schreiben, vorausgesetzt, sie lässt gewisse
Einzelheiten aus.«
    Henry berichtete Archie nun, wie Susan den
Kohlenmonoxid-Anschlag überlebt hatte, und von Bennett, der ein
Stockwerk über ihm immer noch im Koma lag. Dann erzählte er, wie Susan
die anderen Leichen im Park identifiziert hatte.
    Archie dachte an John Bannon und Buddy Anderson. »Ich muss mit
ihr reden. Aber zuerst«, sagte er und sein Magen zog sich zusammen,
»brauche ich diese Bettpfanne wieder.«
    Ärzte und Schwestern kamen und gingen. Sein
Hals war mit fünfunddreißig Stichen genäht worden. Gretchen hatte die
Luftröhre und die Halsschlagader verfehlt. Sie fuhren fort, ihn voll
Naloxon zu pumpen.
    Debbie war wieder da. Sie hatte die Kinder nicht mitgebracht,
und er hatte nicht nach ihnen gefragt. Es war besser, wenn sie ihn
nicht in diesem Zustand sahen. Sie hatten bereits zu viel gesehen.
    »Ist alles draußen?«, fragte sie.
    Er schloss die Augen. »Nein«, sagte er.
    »Was willst du, Archie?«
    Was er wollte? Er wollte sterben. So hatte sein Plan
ausgesehen.
    Er wandte den Kopf ab. »Schlafen«, sagte er.
    Archie sah eine Gestalt in der Tür. Er
brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es ein Kind war. Zuerst
dachte er, es könnte Ben sein. Er lächelte und versuchte, sich
aufzusetzen. Er wollte, dass es Ben war.
    Aber es war nicht Ben. Es war der Junge aus dem Park. Archie
machte ihm ein Zeichen, hereinzukommen, und der Junge trat ins Zimmer.
Er trug dieselben Sachen wie damals im Wald.
    »Hallo«, sagte der Junge und hob linkisch eine Hand.
    »Erinnerst du dich an mich?«, fragte Archie. »Aus dem Wald?«
    Der Junge wusste nicht, was er mit seinen Händen anfangen
sollte. Erst verschränkte er die dürren Arme, dann steckte er die Hände
in die Taschen. »Kann ich mein Nest zurückhaben?«, fragte er.
    »Das ist ein Beweismittel«, erklärte Archie.
    »Ach so«, sagte der Junge.
    Archie überlegte in seinem benebelten Zustand, was für ein
enormer Zufall es war, dass der Junge hier war. War er gekommen, um
Archie zu besuchen? »Was treibst du hier?«, fragte Archie.
    Der Junge zuckte die Achseln. »Meine Mom arbeitet hier«, sagte
er.
    Archie dachte darüber nach. Es klang plausibel. »Ich möchte,
dass mein Partner dich kennenlernt«, sagte er.
    Der Junge wich zurück. »Tut mir leid«, sagte er. »Ich muss
gehen.« Er senkte die Stimme. »Sie sollten auch gehen. Meine Mom sagt,
Krankenhäuser sind gefährlich.« Er sah sich im Zimmer um. »Man holt
sich leicht eine Infektion.«
    »Hallo«, sagte Susan. Archie hatte geträumt.
Er sah zu der Wanduhr hinauf. Er war die ganze Zeit zwischen
Bewusstlosigkeit und Wachsein hin und her gewechselt. Mittags war dann
endlich Fergus gekommen und hatte ihm Morphium gegeben. Er hatte es ihm
über den Infusionsschlauch verabreicht, wie es Gretchen während der
letzten Tage seiner Gefangenschaft getan hatte.
    »Sind Sie wach?«, fragte Susan.
    Archie sah sich benommen nach dem Kind aus dem Park um. »Wo
ist der Junge?«, fragte er.
    Susan runzelte die Stirn. »Hier ist kein Junge«, sagte sie.
    Archie rieb sich das Gesicht und sah Susan an. Er wusste von
Henry, dass sie sich die Nase gebrochen hatte, aber er war auf den
Anblick dennoch nicht vorbereitet. Sie trug einen Verband und hatte
zwei blaue Augen, die wahrscheinlich über Nacht gekommen waren.
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