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Graues Land (German Edition)

Graues Land (German Edition)

Titel: Graues Land (German Edition)
Autoren: Michael Dissieux
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in Devon aus seinem Schlaf erweckt haben. Und Gott war noch nie gekommen, um mit den Menschen zu reden.
    Diesmal bin ich ihm dankbar dafür.
    Ich weiß, dass die Überreste des Mädchens nicht lange auf dem kalten Asphalt liegen bleiben werden. Das ist der letzte Gedanke, den ich an sie verschwende. Dann versinkt mein Verstand in trübseliges Schweigen.
    Die Welt um mich herum, die nicht mehr die meine ist, rast wie ein dunkles Band an mir vorbei. Die düsteren Schatten von Devon gehen in weite, schwarze Meere aus Getreidefeldern und Wiesen über. Dann tauchen die kauernden Schatten der Hügel auf, bedrängen den Wagen und tauchen die Welt in ein totes Grau. Das Dröhnen des Motors hat sich in das schadenfrohe Gelächter des Teufels verwandelt. Ich schließe die Augen und gebe mich dem beklemmenden Gefühl hin, mitten durch die Hölle zu fahren.
    Wie lange wird es noch dauern, bis wir das Feuer erreichen? Die ewige Verdammnis, von der in der Bibel die Rede ist und die entgegen meiner Überzeugung tatsächlich existiert. Das ist die einzige Chance der Menschheit. Der schnelle, schmerzlose Tod der Erlösung inmitten einer finsteren, kalten und stillen Welt, unter einem Himmel, dessen Wolken schwarz über die verderbte Erde dahinrasen, wie die Reiter der Apokalypse, die gekommen sind, um ihre Ernte einzufahren. Kann ich das Dröhnen ihrer Hufe nicht in den Wolken hören? Ihr irres Gelächter, das wie Donner durch den Himmel rollt? Das ist alles, was uns noch bleibt. Das Zurücklehnen und Akzeptieren des Todes. Das Festhalten am Schweigen der neuen Welt und das Fallenlassen in einen schwarzen Traum, der das Ende verspricht.
    Mit dem Tod des Mädchens ist in mir die letzte Hoffnung erloschen, dass wir in der Düsternis dieser Welt auch nur den Hauch einer Chance besitzen. Gott hat uns keine mehr gewährt. Zu lange musste er die Missetaten seiner Schöpfung beobachten und tatenlos zusehen. Jetzt hat er zurückgeschlagen. Und die Rache des Herrn ist fürchterlich. Steht es nicht schon so in der Bibel?
    Ich wünschte, Sarah wäre bei mir. Sie wüsste, welche Worte in der Heiligen Schrift stehen. Sie wüsste, dass alles, was geschieht, Gottes Wille ist.
    Aber ich sage, dass all das, was mit der Welt geschehen ist, nicht Gottes Wille sein kann. Gott hilft denen, die gepeinigt wurden. Und die Menschheit hat weit mehr erfahren als nur Pein und Leid. Sie hat den Tod erfahren, die Verheerung der Welt und die Ausrottung ihrer Spezies. Da kann selbst Gott kein Leid mehr lindern.
    Die Welt gehört den Reitern der Apokalypse und ihren skelettierten Hengsten, die dröhnend durch den Himmel rollen – und jener Kreatur an ihrer Spitze, dem gefallenen Engel ...
    III
    »Was hast du da?«
    Barrys Worte dringen wie durch einen dichten Kokon zu mir. Sein Gesicht verschwimmt vor meinen Augen, als ich ihn ansehe. Dann sehe ich in meinen Schoß, wo ich das Buch und das DVD-Gerät halte. In der Panik muss ich beides gegriffen und mit in den Wagen genommen haben. Zu welch sinnlosen Handlungen der Mensch doch fähig ist.
    »Geschenke«, flüstere ich. Meine Kehle schmerzt. Das eine Wort bereitet mir Schwierigkeiten.
    »Alles in Ordnung, Dad?«
    Barrys Lippen bewegen sich nicht im Einklang zu seinen Worten. Seine Gesichtszüge verschwimmen wie farbige Schlieren, als er sich mir kurz zuwendet und dann wieder durch die Windschutzscheibe auf die Straße starrt.
    Ich nicke nur, unfähig meine Stimme zu benutzen.
    Ich lehne mich in den zerschlissenen Polstern des Sitzes zurück, in dem meine Sarah unzählige Male gesessen und gelacht hat, und blicke in das aufgewühlte Schwarz der Wolken. Sie erscheinen mir wie gewaltige Monster, die sich jederzeit auf die Erde stürzen, um den letzten Rest der Menschheit unter ihren Krallen zu zerfetzen. Grässliche Fratzen häuten sich aus den Massen, stoßen mir ein geiferndes Brüllen entgegen, das nur ich in meinem Kopf hören kann, und hüllen sich dann wieder in den Mantel aus Dunkelheit und Schatten, der sich über die Hügel gelegt hat.
    Bäume und Felsen stechen wie niederkauernde Schemen in den Himmel, von jeder Farbe befreit, wie der Rest der Welt.
    Etwas ist falsch. Ich kann es spüren. Das Gefühl kriecht durch meinen Körper, nagt an meinen Nerven und frisst sich durch mein Fleisch. Mein Blut scheint sich in pures Eis verwandelt zu haben. Ich kann spüren, wie mein Herz das Eis durch die Adern pumpt und es meinen Verstand zu lähmen versucht.
    Die Luft im Pick-up birgt einen unterschwelligen Gestank, der
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