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Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen

Titel: Grappa lässt die Puppen tanzen - Wollenhaupt, G: Grappa lässt die Puppen tanzen
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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meldete sich der grauhaarige Mann zu Wort. »Dieses Gebäude gehört zu unserem Wohnungsbestand. Es ist illegal besetzt worden. Wir haben alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft. Mehrere einstweilige Anordnungen, Räumungsbeschlüsse. Das Haus verkommt und ist bereits stark beschädigt. Jetzt dürfen wir räumen.«
    »Haben Sie ein Megafon?«, erkundigte sich Maxi.
    Sie bekam eins und winkte Ivana zu sich. »Sag den Leute im Haus, dass sie nichts zu befürchten haben. Sie sollen einfach nur das Gebäude verlassen. Ihnen passiert nichts. Die Polizei schützt sie.«
    »Polizei schützen?«, fragte Ivana zornig. »Kennen wir nicht. Polizei immer schlimm.«
    »In Bulgarien, aber nicht hier. Und jetzt los.«
    Ivana nahm das Megafon und sprach hoch zu den Fenstern, hinter denen schwarzbehaarte Köpfe zu sehen waren.
    Die Ansprache hatte Erfolg. Nach und nach kamen die Hausbesetzer ins Freie. Männer, Frauen und Kinder jeglichen Alters, sogar ein Säugling und ein Kleinkind waren dabei. Ihre wenigen Habseligkeiten trugen sie in Plastiktüten bei sich.
    Die Polizisten hatten sich zwischen die Zuschauer und die Roma gestellt. Die Hasstiraden waren verstummt.
    »Frag, ob das Haus leer ist«, bat Maxi Singer Ivana. »Und sag den Leuten, dass wir uns um sie kümmern werden.«
    Ivana ging zu der Gruppe und sprach mit einem älteren Mann, der der Familienchef zu sein schien.
    Wieder zurück meinte sie: »Haus ist leer. Besitzer kann rein.«
    Die Arbeiter bekamen ein Zeichen. Sie zogen Handschuhe an und banden sich Mundschutz um.
    »Sie können gern mit in das Haus«, bot mir der Quantas – Vertreter an. »Dann sehen Sie mal, wie es da drin aussieht.«
    Ich zögerte, was der Typ selbstverständlich bemerkte.
    »An der Wahrheit sind Sie wohl nicht interessiert, was?«, meckerte er. »Sie schimpfen natürlich lieber auf die böse Heuschrecke, die die armen Zigeuner vertreibt.«
    Er hatte recht. Wayne und ich folgten den Männern.

Zigeunerromantik und Naziärzte
    Nach der Hausbegehung fuhr ich nach Hause und duschte gründlich. Ich musste den Geruch nach Pisse und verdorbenem Essen abwaschen. Mittags war ich wieder ansprechbar. Schnack gab mir sechzig Zeilen und lobte mein Engagement.
    »Ihr werdet noch gute Freunde«, prophezeite Simon Harras.
    »An mir soll es nicht liegen«, entgegnete ich. »Solange ich machen kann, was ich will.«
    »Irgendwie riechst du komisch, Grappa. Hast du ein neues Parfum? Pissato von Bruno Romani?«
    »Ist das immer noch nicht weg?«, fragte ich und schnüffelte an meinem T-Shirt.
    »War nur ein Scherz«, gab Harras zu. »Ich hab mit Wayne gequatscht und ein paar Fotos gesehen. Unfassbar! Warum kommen die Leute bloß hierher? In Bulgarien kann es auch nicht schlimmer sein.«
    »Doch es kann und es ist schlimmer«, seufzte ich. »Schau dir mal im Netz die Elendsviertel von Plovdiv an.«
    »Mach ich«, versprach er. »Aber vorher bin ich mit Trainer Peter Mopp zum Essen verabredet. Er hat seinen Werbevertrag mit der Berlin-Darmstädter-Versicherung gekündigt.«
    »Ach, ja. Die Sexorgie in den Gellert-Thermen in Budapest. Find ich klasse von Mopp.«
    »Ihm geht ’ne Menge Kohle durch die Lappen.«
    »Darauf wird er nicht angewiesen sein«, stellte ich fest. »Sag mal, wieso haben Männer eigentlich nichts anderes im Hirn als Ficken?«
    »Das stimmt doch gar nicht!«, meinte der Sportreporter im Brustton der Überzeugung.
    »Wieso? An was denken sie denn sonst?«
    Harras überlegte, kratzte sich den Kopf und meinte dann: »Ficken!«
    Ich zeigte ihm den Stinkefinger und machte mich an die Arbeit.
    Eigentümer schickt Sicherheitsdienst: 53 Roma verlassen Ekel-Haus
    Der Besitzer des Hauses, die Quantas GmbH, hatte monatelang versucht, Räumungsbeschlüsse durchzusetzen – vergeblich. Jetzt hat ein Sicherheitsdienst die Sache erledigt. Im Morgengrauen mussten 53 Menschen, unter ihnen zahlreiche Kinder, das Haus verlassen. Sie lebten seit Monaten ohne Mietvertrag in dem Gebäude.
    Unsere Zeitung hatte Gelegenheit, das Haus zu besichtigen. Es bot sich ein ekelerregendes Bild: meterhohe stinkende Müllhaufen im Hinterhof. Im Treppenhaus kiloweise Exkremente von Tauben und Ratten sowie verschimmelte Essensreste. In den ›Zimmern‹: verdreckte Matratzen, gebrauchte Kinderwindeln, ranzige Baby-Nahrung und verwesende Fleischstücke in einer Pfanne auf einem Gaskocher.
    Die Stadtwerke hatten Strom- und Gaszähler vor einigen Tagen abgeschaltet, denn die Quantas GmbH wäre sonst noch länger auf den Energiekosten
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