Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Grappa 06 - Grappa und der Wolf

Titel: Grappa 06 - Grappa und der Wolf
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
Vom Netzwerk:
Rettungswagen der Bierstädter Feuerwehr auf den Hof. Ein junger Arzt sprang heraus und durchtrennte die Stricke, mit denen Rocky noch immer gefesselt war.
    »Er hat viel Blut verloren«, meinte er nach einer kurzen Untersuchung, »aber er kommt durch. Vermutlich schwere Gehirnerschütterung. Auf den ersten Blick kein Schädelbruch.«
    Ich atmete auf. Rocky war jung und hart im Nehmen. »In welches Krankenhaus bringen Sie ihn?«
    »Unfallklinik.«
    Mit geübten Handgriffen wurde Rocky in eine Alufolie eingewickelt, auf eine Trage gelegt und in den Wagen geschoben. Dann startete der weiß-rote Kombi mit lautem Geheul.
    »Sie werden mir einiges erklären müssen.« Schon wieder Liliencron!
    »Suchen Sie nach der Sachertorte und lassen Sie mich in Ruhe, Sie aufgeblasenes Arschloch!«
    Ich drehte mich um und stapfte zum Parkplatz. Langsam wich die Beklemmung von mir. Als ich mich durch den Innenstadtverkehr quälte, tauchte ein neues Problem vor mir auf. Wie sollte ich Rockys Mama beibringen, dass ihr ein und alles schwerverletzt im Krankenhaus lag?

Mama knallt durch
    Die alte Frau hatte wortlos ihre Kittelschürze ausgezogen, sich in einen schwarzen Mantel gehüllt, die Handtasche vom Garderobenbrett gegriffen, und los ging's. Ich hatte ihr – in Ermangelung von polnischen Sprachkenntnissen – mit Händen und Füßen erklärt, dass ihr Sohn krank sei und wir jetzt zu ihm hinführen.
    An der Information der Klinik nannte man uns die Zimmernummer. Als wir die Tür zum Raum öffneten, saß Liliencron an Rockys Bett, schüttelte ihn heftig und sprach laut auf ihn ein.
    Mich packte die kalte Wut. »Lassen Sie ihn zufrieden!«, brüllte ich. Rockys Mutter hatte meiner Reaktion entnommen, dass der Mann mit dem Pferdeschwanz, der am Bett saß, ihrem Sohn nicht wohl wollte. Mit einem Schwall von polnischen Schimpfwörtern stürzte sie sich auf den BKA-Mann und haute ihm mit ihrer großen Handtasche immer wieder eins um die Ohren. Liliencron schrie vor Schreck auf. So hatte sie ihn schnell in eine Ecke des Zimmers getrieben. Der Angegriffene versuchte sich zu wehren, doch gegen Mamas polnisches Temperament hatte er null Chancen. Die alte Frau schimpfte und kreischte, und sie hieb weiter auf ihn ein. Liliencron hielt die Arme vor den Körper, um den Schlägen mit der Handtasche auszuweichen. Aber Mama Jedwabski landete einen Treffer nach dem anderen.
    Ich hatte mich derweil auf Rockys Bettkante gesetzt und sah dem Spektakel zu. Dann übermannte mich jenes warme, dunkle Gefühl, das langsam in einem aufsteigt, sich in Magenhöhe zu Glucksern formt, die Luftröhre empor perlt, um sich in schallendem Lachen zu entladen.
    Durch das Geschrei, Getöse und Gelächter angelockt, stand plötzlich eine Häubchenträgerin im Raum. »Was passiert denn hier?«, fragte sie humorlos.
    »Ein mittlerer Vulkanausbruch«, erklärte ich, »die Frau da …« Ich deutete auf Mama, die inzwischen mit den bloßen Händen zulangte, da ihr die Handtasche heruntergefallen war »… die Frau ist die Mutter des Patienten.«
    In diesem Augenblick sagte Rocky mit schwacher Stimme: »Mama.«
    Frau Jedwabski hielt inne, ließ den Kriminaldirektor des Bundeskriminalamtes links liegen und stürzte zu ihrem Sohn. Sie griff nach der Hand des Verletzten, Tränen schossen in ihre Augen, und sie streichelte sein Gesicht. Zärtliche Koseworte, die außer Rocky niemand verstand, erfüllten den Raum.
    »Hauen Sie ab, Mensch!«, zischte ich Liliencron zu. Ziemlich derangiert schlich er aus dem Zimmer.
    Ich trat an Rockys Krankenlager. Er war noch immer bleich, sein Kopf war von einem dicken weißen Verband umhüllt. In seinen Venen steckten eine Kanüle und ein Schlauch.
    »Bruder, du machst Sachen«, stammelte ich hilflos. Rocky deutete ein Lächeln an. »Weißt du, wer dich so zugerichtet hat?«
    »Ich habe die Lkw beobachtet«, flüsterte er. »Da waren Männer, die aufgeladen haben.«
    »Bleib ganz ruhig«, bat ich, »lass dir Zeit.« Ich streichelte seine Hand.
    »Die Fracht wurde aus einem Lagerhaus geholt«, fuhr er fort. Er hatte eine schwere Zunge, die die Worte kaum formen konnte. »Ich bin da rein, tat so, als wäre ich einer von denen. Dann hab ich von hinten einen Schlag verpasst bekommen.«
    »Es ist glimpflich abgegangen«, tröstete ich ihn. »Kein Schädelbruch, nur eine Gehirnerschütterung und eine Platzwunde. Bald bist du wieder fit.«
    Rocky schloss die Augen. Die paar Worte hatten ihn angestrengt.
    »Heute Nacht«, murmelte er, »da wird die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher