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Grappa 03 - Grappa macht Theater

Grappa 03 - Grappa macht Theater

Titel: Grappa 03 - Grappa macht Theater
Autoren: Gabriella Wollenhaupt
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bisschen Geiselnahme kann nicht den Kopf kosten! Wenn Sie mich brauchen, dann rufen Sie an!«

Wie der Käse laufen lernte
    Nello war nicht aufzutreiben. In der Redaktion des »Kulturechos« hatte man zunächst an nichts Böses gedacht, als er zwei Tage lang nicht aufgetaucht war. Doch als der Erscheinungstermin des Wochenblattes immer näher rückte und sich kein Nello meldete, wurde die Polizei eingeschaltet. Denn einen Termin würde Nello von Prätorius niemals verpassen: Den Abgabetermin seiner wöchentlichen Rezension. Dafür investierte er zu viel Herzblut.
    Die Sache fiel jetzt eindeutig in mein Ressort als Polizeireporterin. Ich fing an und griff zum Telefonhörer.
    Die umliegenden Krankenhäuser meldeten keinen orientierungslosen Patienten, seine Stammlokale hatte Nello seit Tagen nicht mehr aufgesucht und Freunde, bei denen er unterschlüpfen konnte, besaß Bierstadts größter Schöngeist nicht. Es gab auch keine Familie mehr, mit der er zusammenlebte. Er hauste nämlich in einer kleinen Hinterhofwohnung im Norden der Stadt, drei Zimmer, Küche und Bad.
    Ich klingelte. Ein Mann öffnete die Tür. Er gab sich als Besitzer des Hauses zu erkennen. Ich hielt ihm kurz und selbstbewusst meinen Presseausweis entgegen.
    »Wissen Sie, wo sich Herr Prätorius befindet?«, fragte ich mit sorgenvoller Stimme.
    »Polizei?«
    Ich sagte nichts und machte mit dem Kopf eine Bewegung, die er als »ja« deuten konnte. »Wann haben Sie Herrn Prätorius zum letzten Mal gesehen?«
    »Vor drei Tagen«, entgegnete der Hausbesitzer, »aber das wissen Ihre Kollegen schon!«
    Die Polizei war also schon da, dachte ich, umso besser.
    »Ich weiß, aber ich habe noch ein paar weitere Ermittlungen zu machen. Können Sie mir die Wohnung noch einmal aufschließen?«
    Er drehte sich um und griff zu einem Schlüsselbrett. Mürrisch stieg er die Stufen vor mir hoch und brummelte unwillige Worte vor sich hin. Ein echter Bierstädter, dachte ich, zuvorkommend, höflich und durch und durch hilfsbereit. Von dem ausgelassenen Naturell ganz zu schweigen.
    »Hier ist es«, murmelte er und öffnete. Er ließ den Schlüssel stecken und schlurfte dann in Richtung Treppe zurück.
    »Schließen Sie aber wieder zu! Ich bin dann unten.«
    Ich ging durch die Tür. Ein kreatives Chaos empfing mich. Das Bett sah aus, als sei Nello gerade aufgestanden. Überall lagen Kleider herum, Schranktüren klafften auf. Unmengen von alten Zeitungen lagen gestapelt in der Ecke, fertig für den Altpapier-Container.
    In der Küche war Frühstück bereitet und gegessen worden – vor einigen Tagen allerdings. Der Schnittkäse wellte sich auf seinem Teller, und die Ränder eines Mortadella-Nachahmerproduktes waren braun und hart. Der Camembert-Rest hatte laufen gelernt.
    Sieht nicht aus, als wäre er verreist, stellte ich fest und öffnete das Fenster. Mein Blick erhaschte die Nirosta-Spüle mit eingeweichtem Geschirr. Speisereste tummelten sich auf der Wasseroberfläche. Es roch nicht gut. Ich zog den Stopfen raus, das Wasser gluckerte in den Abfluss.
    Ich ging in den nächsten Raum. Das war das Arbeitszimmer. Hier war alles sauber und aufgeräumt. Im Bücherregal standen mehrere gebundene Jahresausgaben des »Kulturechos« und der »Melpomene«. Sieh an, dachte ich, Nello hat die Kritiken seines Gegners Gallo Pinto genauso säuberlich gesammelt wie seine eigenen. Achtung vor dem Feind, so nennt man das wohl!
    Ich schnüffelte auf dem Schreibtisch herum. Da lagen einige Manuskript-Seiten, die für die letzte Ausgabe des »Kulturechos« bestimmt gewesen waren. Er hatte zuletzt ein modernes Stück besprochen, das in einer Nachbarstadt Premiere gehabt hatte. Ich las:
    »Ohnehin sind wir in einer Geisterbahn, im Jahrmarkt-Hades des typischen Sauerländer Wurstkessels, wo Blutsuppen überschwappen und der Sensenmann Zither spielt. Der Tod macht den muffelnd verstumpften Zerberus. Alle paar Minuten platzen neue Monstren ab: knipsende Japanertrupps mit Asiatengrinsen, sich gegenseitig in Pinkelposen ablichtend. Drei äffische Jünglinge in Drill und Drillich prügeln einem vierten den Nazi-Gruß ein. Und eine Nutte wird von ihrem Zuhälter blutig niedergestreckt.«
    Merkwürdig, was heutzutage alles auf einer Bühne gezeigt wird. Ich zog die Schreibtischschublade auf. Auf den ersten Blick fand ich nichts Ungewöhnliches. Abgerissene Theaterkarten, Terminpläne der Bühnen im Umkreis, Ausstellungskataloge. Ich stieß auf einen Ordner mit Kontoauszügen. Schon nach kurzer Durchsicht
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