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Grandios gescheitert

Grandios gescheitert

Titel: Grandios gescheitert
Autoren: Bernd Ingmar Gutberlet
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herstellen lässt. 1980 schafften Forscher, was über mehr als zwei Jahrtausende lang nirgendwo auf der Welt gelungen war: Im US-amerikanischen Lawrence Berkeley Laboratory in Kalifornien erreichten sie mit Hilfe eines Teilchenbeschleunigers die Umwandlung des bleiähnlichen Schwermetalls Bismut in Gold. Allerdings ist das Verfahren so aufwendig und teuer, dass der Goldpreis in unvorstellbare Höhen klettern müsste, um die Herstellung von Gold zu einer einträglichen Sache zu machen. Die Menge Goldes, die 1980 in Kalifornien hergestellt wurde, verschlang das stolze Sümmchen von 10.000 US-Dollar, entsprach aber nur dem Gegenwert von einem Milliardstel Cent. Ein schlechtes Geschäft.

 

Wie eine unvollendete Symphonie
DIE KATHEDRALE VON BEAUVAIS
    Nichts verkörpert das europäische Mittelalter so atmosphärisch und so eindrucksvoll wie die gotischen Kathedralen. Stolz recken sie sich gen Himmel, filigran und mächtig zugleich, steinerner Beweis der Gottesfurcht einer Epoche und ihrer Schaffenskraft. Man wollte höher bauen als jemals zuvor, aber gleichzeitig einen Eindruck von Schwerelosigkeit vermitteln. Das Innere der Gotteshäuser sollte lichtdurchflutet sein, viel buntes Glas das himmlische Licht ins Innere holen. Dafür aber musste möglichst viel Mauerwerk zugunsten von bunten Glasfenstern aufgebrochen, möglichst viel Fensterfläche gewonnen werden, ohne die Gesetze der Statik zu missachten. Das war natürlich kein leichtes Unterfangen, und immer wieder einmal brachen auf Baustellen Gebäudeteile ein, weil die Last sich letztlich als zu groß erwies.
    Eigentlich handelt es sich bei dem Begriff »gotisch« um eine ziemlich abfällige Bezeichnung nachgeborener Kritiker der Renaissance, und bis heute steht das Wort für längst Vergangenes, Unzeitgemäßes, für die düstere Herrschaft der allmächtigen Kirche, für die dumpfe Existenz unwissender Massen, für das Negative des Feudalzeitalters insgesamt. Dem frühen italienischen Kunsthistoriker Giorgio Vasari, selbst ein Vertreter des Renaissancezeitalters, war diese mittelalterliche Kunst im Unterschied zur glanzvollen Antike so zuwider, dass er als Erster sie mit Verweis auf den barbarischen Norden als Gotik abstempelte. Seinerzeit galt das Mittelalter nun einmal als Inbegriff für alles Rückständige.
    Der Begriff »Gotik« wird natürlich längst nicht mehr so ausschließlich negativ verstanden, wie er einst gemeint war, aber zur ursprünglichen Verunglimpfung passt, dass die gotischen Kathedralen des 13., 14. und 15. Jahrhunderts heute ganz überwiegend düster wirken, denn meist haben die Jahrhunderte ihre Fassaden geschwärzt, haben Rauch und Schmutz die Innenräume und die Bleiglasfenster überzogen. Auch sonst sind sie nach vielen Jahrhunderten nicht mehr in Höchstform: Der reiche Skulpturenschmuck ist oft verschwunden, weitere Prachtelemente geraubt, Farben verblasst, stillos manches moderne Element hinzugebastelt – und nicht zuletzt fehlt, was sie zu ihrer Zeit zum Zentrum der Städte machte: ihre Betriebsamkeit im Alltag der mittelalterlichen Stadt. Die Kirchen waren ein Ort vielfältiger Nutzung – und zwar keineswegs allein zum Zweck des Gottesdienstes oder des stillen Gebets, sondern bis hin zu sehr weltlichen Betätigungen wie Geldgeschäften oder der Anbahnung sexueller Kontakte. Der weitgehend säkularisierten Moderne fehlt aber auch das symbolische Verständnis: Beispielsweise waren die Kathedralen ein Ebenbild der Gemeinschaft der Gläubigen, die die Kirche so bilden wie die Vielzahl der Steine das Gotteshaus. Gott und der Kirche zur Ehre wurde ein immenser baulicher Aufwand betrieben, während die erdrückende Mehrzahl der Menschen damals gerade mal ein Holzdach über dem Kopf hatte.
    Wie die Kathedralen ist uns die Epoche insgesamt ziemlich fremd geworden. Schon der Begriff »Mittelalter« degradiert ein vielfältiges buntes Jahrtausend zu einer kläglich missratenen Übergangszeit zwischen Antike und Renaissance, und die üble Nachrede seither zog ein schlechtes Image nach sich, das bis heute wirkmächtig ist. Daran haben populäre Mittelalter-Romane wenig geändert, weil auch sie vor allem beliebte und gefällige, heimelige und gruselige Klischees bedienen. Das Mittelalter besaß Licht und Schatten wie jede andere Epoche auch, und es hat verdient, differenziert betrachtet zu werden. Schon deshalb, weil dort ein nicht unerheblicher Teil unserer Wurzeln liegt.

Leuchttürme einer Epoche
    Ob man die Epoche zwischen 500 und 1500 n.
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