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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst
Autoren: M Gardiner
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ihrem Laden befinden?«
    »Nein.«
    »Haben Sie irgendetwas getan, außer sich in Ihrem Apartment zu verstecken und Schmuck beim Teleshopping zu bestellen, bis die Infektion an Ihrer Hand schließlich außer Kontrolle geriet?«
    »Ich habe mich versteckt, weil ich völlig traumatisiert war! Mich hatte ein Frettchen angefallen!«
    Und genau da lag Jesses Problem. Die Gesetze des Staates Kalifornien schränkten den Besitz von Frettchen ein. Die Tiere, die Gaul angegriffen hatten, die geliebten Haustiere der exzentrischen Frau, der Beowulf gehörte, waren illegal nach Kalifornien gebracht worden. Sie waren Schmuggelware. Und was es für die Verteidigung noch schwieriger machte: Sie waren flüchtig. Ihre Besitzerin hatte sie freigelassen, um der Verhaftung zu entgehen. Die Frettchen waren auf der Flucht vor den Tierfängern des Staates – Outlaws der Gattung Mustela.
    »Ich habe jetzt noch Albträume!«, klagte Gaul. »Ich sehe ihre kleinen Augen vor mir, ihre ekelhaften Tatzen, die mich kratzen und nach mir schlagen …« Mit ihren zu Klauen geformten Fingern machte sie hektische Bewegungen.
    Jesse fixierte sie eindringlich. »Haben Sie deshalb das Valium in den Hamburger gemischt? Um sie zu beruhigen?«
    »Einspruch!« Hinkel hatte voller Entrüstung die Hände in die Luft geworfen – eine Pose wie in einem schlechten Film. »Er setzt die Zeugin unter Druck!«
    Rodriguez warf ihm einen säuerlichen Blick zu. »Er setzt sie nicht unter Druck, er stellt relevante Fragen. Setzen Sie sich wieder.«
    Hinkel setzte sich, aber es würde nicht lange dauern, bis er wieder stand. Er musste auf zwei Argumente bauen, um das Verfahren zu gewinnen – Schädlinge und Hysterie. Ich wusste das, denn ich hatte die Fallrecherche für ihn erledigt und ihm den Tipp gegeben. Meine abfällige Bemerkung hatte er für bare Münze genommen und war sofort zum Gericht gestürmt.
    Rodriguez seufzte verärgert. »Wir sind am Ende eines langen Tages. Wir vertagen auf morgen früh, und bis dahin hat sich hoffentlich jeder wieder beruhigt.« Sie ließ ihren Richterhammer sprechen, raffte die schwarze Robe zusammen und stand auf.
    Der Gerichtsdiener trat vor. »Bitte erheben Sie sich.« Alle folgten der Aufforderung, als die Richterin den Saal verließ. Alle, bis auf Jesse in seinem Rollstuhl.
    Gespräche brandeten auf, während der Saal sich leerte. Ich hatte mich in der Nähe der Tür postiert, und Gaul kam mit Hinkel an mir vorbei. Skip nickte, grüßte mich jedoch nicht. Er wusste, dass er von mir keine Zustimmung zu erwarten hatte. Jesse saß noch am Tisch der Verteidigung, während sein Berater Bill Brandt das Vorgehen analysierte.
    Zwei Jahre war es her, dass ihn jemand angefahren und dann Unfallflucht begangen hatte. Jesse blieb mit seinem Mountainbike und zerschmettertem Rückgrat am Straßenrand liegen. Dabei konnte er sich noch glücklich schätzen, denn sein bester Freund, der neben Jesse gefahren war, erlitt tödliche Verletzungen. Es brauchte ein Jahr Reha und Physiotherapie, bis Jesse seine Beine zumindest wieder teilweise bewegen konnte. Er konnte an Krücken gehen, benutzte die meiste Zeit aber einen leichten Sport-Rollstuhl.
    Er legte sich die Aktentasche in den Schoß, drehte den Rollstuhl und war mit zwei kräftigen Stößen im Mittelgang, bevor er mich erblickte. Kurz wandte er sich an Brandt, damit der schon einmal ohne ihn vorging. Der ältere Anwalt musterte mich kurz mit deutlich spürbarer Neugier – sind die beiden ein Paar? -, dann klopfte er Jesse auf die Schulter und drängte sich durch die Tür.
    »Ein weiterer Tag, an dem Wahrheit, Gerechtigkeit und militante Nagetiere verteidigt wurden. Gott, wie ich die Juristerei liebe«, sagte Jesse.
    »Eine dankbare Nation verneigt sich vor dir«, antwortete ich. »Was hat Brandt gesagt?«
    »Er möchte, dass ich mein Mundwerk besser im Zaum halte. Und nicht auf den Geschädigten herumtrampele. Ansonsten ist er begeistert. Die beiden Lager zerfleischen sich in gegenseitigem Einvernehmen, da müssen keine liberalen Schuldgefühle aufkommen.«
    Ich sagte nichts dazu, schon längst hatte ich mich an seine unverblümte Art gewöhnt. »Und was hältst du davon?«
    »Ich? Ich werde von Schuldgefühlen geplagt.«
    »Ich dachte, du wurdest ohne das Schuldgefühl-Gen geboren.«
    »Ja, dafür hast du die volle Ladung abgekriegt. Was nagt denn heute an deinem Gewissen?«
    Ich grinste, als wir den Gerichtssaal verließen. »Die Schulden der Dritten Welt und der ganze Rest.«
    Er beäugte
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