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Gottes erste Diener

Gottes erste Diener

Titel: Gottes erste Diener
Autoren: Peter de Rosa
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Meinung
finden. Im Unterschied zu Acton sah er es als Aufgabe des Historikers, zu
berichten statt zu urteilen. Das Urteil war allein dem Leser überlassen.
    Lea und sein Bruder Carey
wurden von einem Privatlehrer daheim in Philadelphia unterrichtet. Von ihm
lernten die Jungen Naturwissenschaften, Mathematik und Sprachen. Doch Henry
schien es nicht bestimmt, ein Gelehrter zu werden. Er war ein schwer
arbeitender Redakteur; er hatte Frau und Familie zu ernähren, Mit Anfang
Zwanzig versuchte er, Beruf und historische Forschung zu kombinieren. Seine
Gesundheit hielt der Belastung nicht stand, und er hatte immer die Möglichkeit
vor Augen, daß er wieder zusammenbrach, wenn er zu hart arbeitete. Angesichts
dieser Tatsachen sind seine Leistungen staunenswert.
    Er interviewte Abraham Lincoln
etliche Male für verschiedene Zeitungen und war von ihm menschlich tief
beeindruckt. Erst später war Lea in der Lage, mehr Zeit für die Geschichte
aufzubringen. Die alles beherrschende Leidenschaft seines Lebens war
Gerechtigkeit; daher sein Interesse an der Inquisition, die gegen jedes Prinzip
verstieß, das ihm teuer war. Er schrieb seinen ersten historischen Artikel erst
mit vierundzwanzig und sein erstes Buch erst mit einundvierzig. Er war in jeder
Hinsicht Autodidakt. Im Lauf seiner Arbeit lernte er neue Sprachen jeweils
dann, wenn es nötig wurde. Deutsch lernte er mit sechzig und Holländisch mit
achtzig.
    Als Historiker muß er
einzigartig sein. Er las kaum Bücher anderer Autoren. Er ging immer direkt zu
den Originalquellen, um sich selbst ein Urteil zu bilden. Er war seiner Zeit
auch darin voraus, daß er von Anfang an beschloß, die beste Art, Geschichte zu
studieren, sei durch die Analyse der Institutionen, besonders der rechtlichen
Institutionen, in denen Menschen und Gesellschaften sich ausdrücken. Dies mag
die Kühle und Gelassenheit seiner Schriften erklären, die in einer Zeit der
Polemik außergewöhnlich sind. Dean Milman bekannte, als er begann, Lea zu
lesen, habe er versucht, aus dem Text abzuleiten, ob Lea Katholik oder
Protestant war, und es wegen seines »fairen und offenen Tons« nicht vermocht.
    Ein Beispiel für Leas
Gründlichkeit muß genügen. Seinem Biographen E. C. Bradley zufolge begann er
seine Untersuchung des Zölibats, indem er alle 217 Bände von Mignes Patrologia
Latina las. G. P. Gooch schreibt in seinem monumentalen Überblick History
and Historians in the Nineteenth Century, Lea habe zur Mediävistik mehr
beigetragen als jeder andere Autor seiner Zeit. Seine »Werke über das Zölibat
der Priester, die spanische Inquisition, Beichten und Ablässe sowie das
Gottesurteil lohnen ein aufmerksames Studium. Seine grenzenlose Gelehrtheit
erregt um so mehr Erstaunen, als sie in der Freizeit eines Redakteurs erworben
wurde und seine Materialien größtenteils kopiert und über den Atlantik
geschickt werden mußten.«
    Ein anderer amerikanischer
Gelehrter, ein Zeitgenosse, hat mich ebenfalls erheblich beeinflußt, obwohl er
vielleicht sagen würde, noch lange nicht genug. Ich fürchte, John T. Noonan
junior, der inzwischen Bundesrichter ist, würde sagen, daß meine
Schlußfolgerungen, besonders zur Abtreibung, von den seinen abweichen. Dennoch
muß ich mit tiefer Dankbarkeit der Vortrefflichkeit seiner Forschungen und
maßvollen Urteile Tribut zollen. Seine Werke über Empfängnisverhütung,
Scheidung und Abtreibung sind Vorbilder historischer Objektivität.
    Da Gottes erste Diener für ein breites Publikum bestimmt ist, hätten Hinweise auf alle Quellen es
unlesbar gemacht. Ein Autor steht besondere in der Schuld derer, die seinen
geistigen Hintergrund geprägt haben. In meinem Fall sind dies unter den Alten Platon,
Aristoteles und Cicero. Im Mittelalter ist es Thomas von Aquin, den ich
tagelang in der Rekreation gelesen habe. Im neunzehnten Jahrhundert bedeutet
mir Mills Essay on Liberty besonders viel. Ein Satz daraus ist mir
unvergeßlich. Er gibt eine Art Prüfstein für alles an, das in der Geschichte,
ob päpstlich oder nicht päpstlich, anständig (und unanständig) ist.
     
    Wenn
die ganze Menschheit minus einer Person derselben Meinung wäre und nur dieser
eine eine gegenteilige Meinung hätte, hätte die Menschheit nicht mehr Recht
dazu, diesen einen zum Schweigen zu bringen, als er, wenn er die Macht hätte,
die Menschheit zum Schweigen zu bringen.
     
    Unter den Modernen verdanke ich
viel Dietrich Bonhoeffer, dessen Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft von
Friedrich Nietzsche um über
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