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Gott wuerfelt doch 1

Gott wuerfelt doch 1

Titel: Gott wuerfelt doch 1
Autoren: Lutz Kreutzer
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Dessen bin ich mir sicher, und Walter weiß, wo
er uns findet. Wenn Du Konrad bist, kannst Du es nicht wissen, und wir werden
uns nach der Gerichtsverhandlung nicht mehr wieder sehen.
     
    Dein Vater
    --
    Ich war sprachlos.
Mein Vater hatte sich von mir abgewendet. Er vertraute einer skeptizistischen
Beweisführung anscheinend mehr als seinem eigenen Gefühl. Wie konnte er das
tun? Ich war entsetzlich nervös, begann an den Fingernägeln zu kauen. War das
alles wahr? Ich las den Brief ein zweites Mal. Es war wahr! Ich fiel in eine
tiefe Depression, denn ich malte mir meine Einsamkeit aus, in dieser Zelle, in
diesem Gefängnis. Ich hatte panische Angst, dass mein Leben nun endgültig
besiegelt und verpfuscht war. Die Hoffnung, die ich nicht aufgeben wollte, schwand.
Mein Magen begann zu schmerzen, der Kopf polterte, und mein Gesicht war nur
noch eine hässliche Grimasse. Ich wollte lieber sterben, als hier mein Leben
lang zu versauern.
    *
    Drei Tage später
wurde mein Vater erneut als Zeuge geladen.
    Der Staatsanwalt
versuchte anfangs, meinen Vater als ehrbaren Wissenschaftler anzusprechen. Die
Forschungsverdienste wurden kurz geschildert. Vater gab nun auf Anraten meines
Anwalts bereitwillig Auskunft. Ob es richtig sei, dass sich sein Sohn Walter
nach dem Verschwinden der Freundin so verändert habe? Vater antwortete
wahrheitsgemäß.
    Dann wurde mein
Vater noch einmal gefragt, ob er mit Sicherheit sagen könne, wer ich sei. Er
gab dieselbe Antwort, die er bei seiner ersten Aussage auch gemacht hatte, er
wollte mich also in jedem Fall schützen.
    Der Staatsanwalt
fragte ihn, als Vater bereits dachte, er sei entlassen, ob es wahr sei, dass er
mit den Mengele-Unterlagen zu tun hatte? Wo diese jetzt seien, und ob er Zugang
zu ihnen gehabt hatte. Vater sagte, er könne sich nicht erinnern. Das war
natürlich gelogen, ein so brillanter Kopf wie der meines Vaters, würde sich an
solche wichtigen Dinge natürlich erinnern. Aber es war eine gute Idee, sich aus
der Affäre zu ziehen. Meinem Vater war ohnehin klar, dass der Staatsanwalt versuchen
würde, seine Glaubwürdigkeit zu untergraben, und daher hätte mir eine
bereitwillige Aussage gar nicht helfen können.
    Als er den
Zeugenstand verließ, sah er mich an. Ich muss kurz gelächelt haben. In jedem
Fall spürte ich einen warmen Fluss, der von ihm zu mir quer durch den
Gerichtssaal kam. Ich hatte den Eindruck, dass mein Vater in dem Moment gespürt
haben musste, wer ich war. Doch wäre es so gewesen, hätte er dann nicht mehr um
mich kämpfen müssen?
    Es vergingen noch
ein paar Tage. Zwei von meinem Anwalt eingeplante Zeugen, Schulfreunde von mir,
hatten ihre Bereitschaft zurückgezogen, zu meinen Gunsten auszusagen. Sie
hielten sich im Ausland auf. Es gab keine Möglichkeit, sie vor das Gericht zu
bringen ohne Zeitverzögerung. Dem Gericht aber schien es sehr wichtig zu sein,
die Beweisführung schnell abzuschließen, und die Beweislage schien jetzt schon
erdrückend genug.
    Die Richter haben
sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Es stand meine Aussage gegen die
von Weiser. Ich war Augenzeuge eines Mordes an meinem Bruder gewesen, der in
einem anderen Land stattgefunden hatte. Weiser aber hatte glaubwürdige
Konstrukte vorgelegt, und er hatte ein Alibi. Das zahnmedizinische Gutachten
war gewichtig und gab vielleicht den Ausschlag. Die Aussage meines Vaters wurde
kaum als zuverlässig bewertet. Mein Vater hatte es gewusst, dass es so war,
dachte ich.
    Mein Anwalt hatte
mir gesagt, Weisers Aussage sei aufgrund seiner Tätigkeit als Stasi-Beamter
kaum glaubwürdiger als meine Aussage. Unsere anfängliche Idee, Fingerabdrücke
heranzuziehen, wurde vom Gericht als nicht beweiskräftig bewertet. Zwar seien
Fingerabdrücke von Zwillingen unterschiedlich, von Walter Landes seien aber
keine Fingerabdrücke aus früherer Zeit bekannt. Von der Leiche aus Kreta könne
man keine Fingerabdrücke mehr nehmen, und aus alten Stasiakten seien ebenfalls
keine Abdrücke von Konrad Landes bekannt.
    Die anderen
schriftlichen Unterlagen jedoch, die aus dem Gauck-Archiv stammten, seien stark
belastend, und ebenso die Fotos von Kreta. Aufgrund der Indizien und
Zeugenaussagen wurde ich als Konrad Landes zu lebenslanger Haft verurteilt,
meinen Bruder Walter Landes ermordet zu haben. Der wahrscheinliche Tod von Anna
wurde zwar erwähnt und als besonders hinterhältig geschildert; die Beweislage
jedoch reichte nicht aus, mich dafür zu bestrafen, denn es gab nicht einmal
eine Leiche.
    Ihr
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