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Gott sacker Kriminalroman

Titel: Gott sacker Kriminalroman
Autoren: Michael Boenke
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mich zu Ihnen setzen?«, fragte die blonde Frau.
    Ich nickte.
    »Ich muss immer sitzen, manchmal werde ich geschoben, auch
wenn ich tot bin.«
    Sie trug eine eigenartige Uniform mit kariertem Rock und im
Anschlag hatte sie eine Jagdflinte.
    »Sie sind stumm?«, fragte sie.
    Ich nickte und sagte: »Ja, seit meiner Kindheit. Aber
erzählen Sie es bitte niemandem. Sonst darf ich nicht mit zur hellen
Prozession. Sie wissen schon, bei der Kapelle im Ried. Von dort kommt die satte
weiße Prozession.«
    Sie nickte verständnisvoll, schwebte schrittlos auf mich zu
und nahm mich in die Arme.
    »Ich werde niemandem erzählen, dass Sie stumm sind, wenn Sie
mir erzählen, wo der Hund begraben liegt.«
    Ich sagte leise zur Blonden: »Leider kann ich es Ihnen nicht
erzählen, weil ich stumm bin, außerdem habe ich schon viel zu viel geredet.
Alles, was ich Ihnen sage, kann gegen mich verwendet werden und ich muss mich
nicht selbst belasten.«
    Sie hob die Jagdflinte und flüsterte: »Komm mit, mein
Dummer, komm mit zum Gericht, dort löst sich alles auf.«
    »Sie wollen mich doch nur vor den Richter bringen. Den
Richter der Hitze und der Straßenglut. Den Richter der Fliegen und des
Gestanks, des Summens und der Prozession.«
    »Rede nicht so dumm, komm einfach mit.«
    Die Blonde schaute mich voller Mitleid an und sagte: »Wir
brauchen keine Richter, wer richtet, wird selbst Gericht. Gericht der Maden.
Für ein Linsengericht haben sie mich verkauft.«
    Ich nickte ihr verständnisvoll zu, obwohl ich nicht verstand,
was sie meinte, und flüsterte, damit sie erkannte, dass ich wirklich stumm bin:
»Ja, sie haben den Tod begraben und der Hund ist auferstanden und das Kreuz ist
sein Zeichen.«
    Die Blonde nickte mit einem feuchten Schleier in den Augen.
Jetzt erst sah ich, dass sie im Rollstuhl saß, sie lächelte und flüsterte: »Wer
kommt zu richten, wird hingerichtet.«
    Sie hob ihre Jagdflinte, zielte in mein Gesicht und die
Flinte war ein Kreuz.
    »Öffne deinen Mund«, sagte sie …

     
    Mein Mund fühlte sich trocken an, als ich vom
Erb-Kanapee hochschreckte.
    Herrgottzack – so ein Scheiß-Traum!
    Ein zweiter Espresso machte die Gedanken ein bisschen
heiterer. Unruhig ging ich in der Wohnung hin und her. Mein abgebrochenes
Psychologiestudium machte mir Sorgen. Hatte der Traum etwas zu bedeuten? Musste
ich mir Gedanken machen oder noch einen Espresso zu mir nehmen?
    Da fiel mir die Kamera ein. Sollte ich zuerst die Bilder von
Susi anschauen oder die anderen, die Bilder aus der Kapelle? Ich entschied mich
für die dralle Susi mit dem Flammenhaar.
    Das Kontrastprogramm nach Susi konnte nicht größer sein.
Obwohl ich die Kamera, ohne den Sucher zu verwenden, zur Kapellentür
hineingehalten hatte, waren die Aufnahmen aus der Kapelle einwandfrei. Als ob
ich direkt im zerfallenen Innenraum gestanden hätte, präsentierten sich mir die
makabren Bilder. Die tote Person lag mit dem Gesicht nach unten mitten in der
Kapelle. Die Arme waren ausgebreitet, die Beine lagen dicht beieinander. Ein
Schuh fehlte. Die Gestalt bildete ein Kreuz auf dem mit Schutt übersäten Boden.
Durch die verklebten Haare am Hinterkopf schien etwas seltsam herauszustehen.
    Ich setzte mich an meinen Mac und lud die Fotos auf die
Festplatte. Nun konnte ich Details besser vergrößern. Schon die kleinen Bilder
waren fürchterlich, die Vergrößerungen aber zeigten den Tod in seiner
Hässlichkeit in allen Einzelheiten. Das Opfer war von Maden übersät, die Hände
hatten eine dunkle Färbung angenommen, die dunklen langen Haare wirkten
verklebt. Und aus dem Haar des Hinterkopfes ragte das Ende eines spitzen
Metall-Gegenstandes heraus. Ich dachte an den Hund und meinen Traum und hoffte
nur, dass der Gegenstand nicht das war, was ich dachte.
    Ich musste unbedingt gleich raus. Bis zum Stammtisch war
noch Zeit, aber die Hitze im Haus war selbst am Abend noch unerträglich. Ein
frühes WalderBräu naturtrüb hell könnte nicht schaden. Vielleicht kommt ja Cäci
doch noch übers Wochenende nach Hause, dann wäre sie bestimmt schon da. Und
wenn nicht, dann könnte ich sie ja vom Ochsen aus anrufen. Von Tübingen bis
hierher braucht sie nur anderthalb Stunden. Außerdem waren Semesterferien. Das
Wetter war bestens – die Chancen, Cäci zu sehen, standen ganz gut. Ich zog die
guten Reptilien-Stiefel an und begab mich zu Fuß ins Unterdorf. Das Ziel war
der Goldene Ochsen und der Beweggrund war der aus aktuellem Anlass
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