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Gold und Stein

Gold und Stein

Titel: Gold und Stein
Autoren: Heidi Rehn
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Agnes’ Brust.
    »Laurenz und ich werden ihn weiterhin wie einen Oheim in unserer Familie ehren«, erwiderte Agnes. »Das sind wir ihm nicht nur als Lehrmeister und Förderer von Laurenz schuldig. Längst haben wir ihn alle tief ins Herz geschlossen. Carla war Laurenz die Schwester, die er nie gehabt hat. Ich frage mich nur, wie wir Caspar aus seinem Kummer erlösen können. Der Ärmste hat sich seit Carlas Tod in seinem Haus eingeschlossen.«
    »Ihr sprecht von Caspar Fischart, nicht wahr?« Neugierig mischte sich die Gutloff ins Gespräch, während sie die ungebrauchten Leinentücher ordentlich faltete und die benutzten in einen Korb räumte. Ihre Schürze hatte sie bereits gewechselt, das graue Haar wieder ordentlich unter der weißen Haube zurückgesteckt.
    Agnes zuckte zusammen, bemerkte auch Gundas Entsetzen. Insgeheim dankte sie der Vorsehung, die die Mutter davor bewahrt hatte, ihn nicht laut als ihren Bruder und Gundas Sohn bezeichnet zu haben. Niemand in Königsberg durfte je erfahren, dass er ihr Zwillingsbruder war. Alle sollten glauben, Gundas zweites Kind habe nur wenige Wochen gelebt.
    »Ich denke, der junge Fischart wird sich freuen zu hören, dass Ihr die schwere Geburt gut überstanden habt«, fuhr Maria Gutloff fort. Offenbar hatte sie Agnes’ und Gundas Entsetzen nicht bemerkt. »Als enger Freund Eures Gemahls nimmt er seit Jahren regen Anteil an Eurem Geschick. Natürlich will ich Euch und Eurem Gatten nicht vorgreifen, doch was haltet Ihr davon, Caspar Fischart die Gevatternschaft des Zwillingsjungen anzutragen? Euren Sohn aus der Taufe zu heben und sich um ihn zu kümmern wird ihm gewiss helfen, die Trauer um seine verstorbene Gemahlin zu überwinden.«
    »Ein sehr guter Vorschlag«, stimmte Gunda begeistert zu. »Da er in seiner fünfjährigen Ehe nie das Glück hatte, eigene Kinder in den Armen zu wiegen, wird ihm ein Patenkind gewiss etwas Lebensfreude schenken. Bislang kümmert er sich ohnehin viel zu sehr um seine kleine Schwester. Von den alten Fischarts hört man oft, wie leid sie es sind, dass er die Zehnjährige so übertrieben verwöhnt. Am Ende hält sie sich noch für eine Fürstin, weil sie von ihm unablässig hofiert wird.«
    »Wollen wir nur hoffen, es führt nicht dazu, dass die Fischarts die kleine Brida an Caspars Stelle verzärteln«, merkte Agnes an. »Da ihnen spät im Leben noch einmal das Glück eines gemeinsamen Kindes zuteilwurde, fällt es ihnen sicherlich schwer, in ihrer Erziehung Maß zu halten.«
    »Ich wüsste einen Weg, das zu verhindern.« Spitzbübisch lächelte die Mutter.
    »Ich glaube, ich ahne etwas!« Die Gutloff rieb sich die bloßen Unterarme. Noch vor Agnes schien sie zu begreifen, worauf Gunda hinauswollte.
    »Nun sag schon!«, drängte Agnes und räkelte sich in ihren Kissen in eine angenehmere Sitzposition. Das Mädchen war an ihrer Brust eingeschlafen. Den winzigen, warmen Leib an dem eigenen zu spüren schenkte Agnes tiefen Frieden. So erschöpft sie vorhin noch gewesen war, so spürte sie den Körper nun zu neuem Leben erwachen. Ungeduld überkam sie. Sie war des langen Redens müde und wollte gleich nach ihren beiden anderen Kindern schicken. Es drängte sie, ihnen die Nachricht von zwei neuen Geschwistern zu verkünden. Wie würden die beiden Mädchen staunen!
    »Nachdem du zwei Kindern zugleich das Leben geschenkt hast, brauchst du zwei Taufpaten«, begann Gunda umständlich und griff von neuem nach Agnes’ Hand, wiegte auf dem zweiten Arm den kleinen Jungen, der im Schlaf leise seufzte. Flink eilte die Hebamme zu ihr und nahm ihr das Kind ab, um es in die bereitstehende Wiege zu betten. Agnes presste das Mädchen enger an sich. Wenigstens eines der Kinder wollte sie bei sich im Bett behalten.
    »Was du nicht sagst!«, entfuhr es ihr, und sie versetzte Gunda mit dem Knie einen leichten Stoß ins Gesäß. »Und wen soll ich deiner Meinung nach darum bitten?«
    »Kannst du dir das immer noch nicht denken?« Gundas rehbraune Augen glänzten vor Vergnügen, um die schmalen Lippen zuckte es. Da begriff Agnes.
    »Du meinst Editha Fischart? Ist das dein Ernst?« Sie stockte, musste den Gedanken erst eine Weile auf sich wirken lassen. Eindringlich musterte sie die Mutter. Gunda hatte die Mitte der vierzig zwar überschritten, dennoch wenig von ihrem Schwung verloren. Das glatte braune Haar, das sie ordentlich unter die Flügelhaube gesteckt hatte, wies keine Spur von Grau auf, nur wenige Falten zierten ihr schmales Gesicht. Selbst der schlanke,
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