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Göttertrank

Göttertrank

Titel: Göttertrank
Autoren: Andrea Schacht
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Eifersucht. Ihr sehnlichster Wunsch war, Maximilian möge ganz einfach wieder in dem Froschteich verschwinden, aus dem der Klapperstorch ihn angeblich geholt hatte.
    Wo dieser Teich war, das wusste sie ganz genau. Man hatte nämlich, um genügend Wasser für die Zuckerproduktion weiter draußen auf den Ländereien zur Verfügung zu haben, ein kleines Flüsschen aufgestaut, das nun einen hübschen, von Büschen umstandenen Tümpel bildete. Ein schmaler Holzsteg war hineingebaut, auf dem der Baron gerne an warmen Sommerabenden saß, um Forellen zu angeln. An den Nachmittagen jedoch führte das Kindermädchen häufig ihre beiden Schützlinge dort hin, nicht unbedingt, um sich mit ihnen am Ufer zu ergehen, sondern um sich heimlich in dem sorgsam beschnittenen Gehölz mit dem Gärtner zu treffen. Klein Maximilian legte sie dann auf eine Decke ins Gras, drückte Dorothea einen Stoffhasen in die Hand und wies sie an, auf ihr Brüderchen aufzupassen.
    Die Idee reifte langsam und gründlich in Dotty heran, und als das Kindermädchen sich wieder einmal in den raschelnden Büschen vergnügte, begann sie, zielstrebig an einem Deckenzipfel zu ziehen. Maximilian gefiel das Spiel, und er ließ sich kichernd und glucksend von seiner Schwester weiter und weiter schleifen. Er jammerte noch nicht einmal, als sie ihn über die holperige Schwelle auf den Steg zerrte. Mit rotem, verschwitztem Gesicht mühte sich Dorothea ab, bis die Decke schließlich ganz vorne angekommen war. Dort, wo das Wasser so tief war, dass man den Boden nicht mehr erkennen konnte.
    Mit grimmiger Genugtuung kroch sie zu ihrem Bruder und schubste ihn vom Steg. Das kalte Wasser erschreckte ihn so, dass er sogar vergaß zu schreien. Zufrieden sah seine Schwester zu, wie er in dem trüben Wasser versank.
     
    Lediglich das schnelle Eingreifen des Gärtners, der, noch mit offener Hose, in den Teich sprang, rettete dem Erben derer von Briesnitz das Leben.
    Das Kindermädchen wurde entlassen. Dorothea musste eine strenge Strafpredigt über sich ergehen lassen, zudem wurde über sie eine harte Strafe verhängt – eine Woche lang keine Süßigkeiten. Das aber führte zu einem derartigen Tobsuchtsanfall, dass man schnellstens von der Durchführung der Strafmaßnahme Abstand nahm.
    Und so lutschte Dotty zufrieden ihre Bonbons, ignorierte fürderhin ihren Bruder und träumte sich ein Leben als Zuckerprinzesschen zurecht.

Heißer Kakao
    Erfahrung ist die Mutter der Wissenschaft.
    Sprichwort
     
     
    Jan Martin träumte auch – von fernen Ländern, was nahelag. Denn sein Vater betrieb einen florierenden Kolonialwarenhandel, und seit die napoleonischen Repressalien ein Ende gefunden hatten, blühte sein Geschäft noch weiter auf. In den schwarz gebundenen Auftragsbüchern im Kontor summierten sich die Zahlen zu ansehnlichen Beträgen, vor den Speichern warteten Schlangen von Frachtkarren, buckelten Lagerarbeiter Säcke und Kisten. Von den Schiffen, die die Weser hinauf bis in den Hafen von Vegesack segelten, wurden die wundervollsten Dinge herbeigebracht. Doch nicht schillernde chinesische Seiden oder grellfarbige Federn exotischer Vögel machten Jantzens Geschäft aus, sondern Säcke voll Kaffeebohnen, Kisten schwarzer Vanilleschoten, aromatische Zimtrinden und andere seltene Gewürze aus Übersee. Und in diesem Jahr hatte die Firma Jantzen ein neues Produkt eingekauft. Vorsichtig disponiert zunächst, denn man war auf Solidität bedacht und scheute Experimente. Immerhin eine ganze Schiffsladung Kakaobohnen war aus Venezuela eingetroffen, und Jan Martin freute sich, dass sein Vater ihm angeboten hatte, ihn zum Hafen zu begleiten, um die Ladung in Empfang zu nehmen.
    Der dreimastige Segler lag am Pier vertäut, und sorgsam auf seine Schritte achtend folgte Jan Martin seinem Vater und dessen Prokuristen über die schmale Planke auf das sanft schaukelnde Schiff. Sie wurden vom Kapitän mit Würde begrüßt und erhielten die Auskunft, die sechswöchige Reise sei ohne große Probleme verlaufen. Allerdings, so bemerkte der Kapitän schmunzelnd, sei es diesen Sommer in Bremen fast so heiß wie in den Tropen.
    Damit hatte er recht, das Quecksilber des Thermometers an der hölzernen Wand des Ruderhauses zeigte fünfunddreißig Grad an diesem Nachmittag. Nichtsdestotrotz bat der Kapitän seine Gäste in die Kajüte, um bei kühlen Getränken die Formalitäten abzuwickeln. Jan Martin erhielt jedoch die Erlaubnis, auf dem Schiff umherzustreifen, sofern er es dabei vermied, über Bord zu
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