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Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)

Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)

Titel: Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)
Autoren: Lars Schütz
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sonderliche Giftigkeit, noch durch atemberaubende Schönheit auszeichnete, sondern allein durch seine Seltenheit. Genau wie beschissenes Silber , dachte Corellius.
    »Meinst du, die Leute hier stört es, wenn ich mir ein, zwei Blättchen abschneide?«, fragte Ulme. »So als 'ne Art Glücksbringer.«
    »Behalt dein Messer, wo es hingehört. Vor allem jetzt – da kommt der Oberste Tutor.«
    Die mit Silberreliefs beschlagene Tür des Turms hatte sich geöffnet. Aus ihr trat ein hochgewachsener Mann. Seine blütenweiße, mit einem Purpurstreifen versehene Toga wallte bei jedem seiner Schritte. Die wenigen grauen Haare, die noch seine Schädeldecke zierten, trug er zurückgekämmt. Was dem Mann an ihnen fehlte, machte sein Bart wieder wett. Er reichte ihm bis zur Mitte des Bauches, war mit Spangen verziert und von bunten Fäden durchflochten. Sie wiesen seinen Rang als Akademiker aus, denn jede Fadenfarbe stand für eine Doktorwürde in einer wissenschaftlichen Disziplin.
    Corellius machte Grün aus, die Farbe der Biologie; Rot, die Farbe der Philosophie; und Dunkelblau, die Farbe der Astronomie. Gleich unterhalb des Mundes erkannte er zwei dicke, schwarze Fadenbündel. Selbstverständlich war der Oberste Tutor auch ein Doktor der Orchologie. Der Lehre des Einen.
    »Die Gnade des Einen sei mit euch«, sagte der Oberste Tutor in einem tiefen Bariton und nickte ihnen zu. »Voxlar ist mein Name, ihr beide allerdings sprecht mich nur mit Meister an.«
    »Es ist mir eine Ehre, Meister!« Corellius verbeugte sich. Als Ulme es ihm nicht sofort gleichtat, versetzte er ihm einen unauffälligen Tritt gegen den Knöchel.
    Der Hüne zuckte zusammen und ging auf die Knie.
    »Ich bin Corellius Adanor aus dem Hause Adanor, das seinen Sitz am Fuße der Zinnzisternen hat«, stellte Corellius sich vor. »Der Mann neben mir ist Ulme, mein Waffenbruder.«
    »Steht auf, steht nur auf«, murmelte Voxlar fahrig. »Ulme, ein seltsamer Name. Was ist deine Geschichte, Freund?«
    »Er ist von meinen Eltern unter …«, setzte Corellius an, aber Voxlar hob die Hand.
    »Kann dein Freund nicht selbst sprechen?«
    »Bin nicht besonders gut in so Sachen«, sagte Ulme und besah die Spitzen seiner ledernen Schaftstiefel.
    Voxlar machte eine auffordernde Geste. »Die Entscheidung, ob du darin gut oder schlecht bist, überlässt du mir. Erzähl!«
    Ulme räusperte sich und knetete seine Hände. Seine kleinen Augen fixierten angestrengt ein Stück Rasen. »Bin von Corellius' Eltern unter 'ner Ulme gefunden worden«, sagte er schließlich. »Direkt neben deren Haus. War noch ganz klein und hab in einem Weidenkorb gelegen. Keine Ahnung, wer meine Eltern sind. Da war nur ich, der Korb und 'ne Decke, in die ich gewickelt war. Also hab'n sie mich Ulme genannt. Corellius' Eltern haben mich aufgezogen wie 'nen Sohn. Bin so 'ne Art Bruder vom Corellius. Mehr gibts nicht zu sagen.«
    Ein Lächeln blitzte unter Voxlars Bart auf. »Das hast du schön gemacht. Ich mag es, wenn Leute sich auf das Wesentliche beschränken können.«
    Ulme reckte stolz die Brust vor.
    »Entschuldigt meine Frage, Meister«, sagte Corellius. »Aber woher wusstet Ihr, dass wir kommen? Keine Eurer Wachen hat Euch uns angekündigt.«
    Voxlars Lächeln schwoll zu einem selbstgefälligen Grinsen an. Er musterte Corellius wie ein Stück Dreck. »Der Efeuturm ist hoch und von seiner Spitze aus sieht man viel. Es geschieht nur selten, dass wir so … illustre Besucher wie dich erhalten, Corellius Adanor aus dem Hause Adanor.«
    »Ich verstehe Eure Enttäuschung, Meister, dass wir die Eskorte bilden sollen«, sagte Corellius zerknirscht. »Ich meine, vor dreißig Jahren sind es die legendären Sechsundsechzig Klingen gewesen, die ausgewählt worden sind – wahre Helden. Jetzt sind es nur wir beide. Die Entscheidung des Ewigen Konzils kann ich nicht nachvollziehen.«
    »Du kannst sie nicht nachvollziehen, weil du sie nicht verstehst!«, zischte ihn Voxlar an und trat mit dem Fuß auf. »Es wird Zeit, euch etwas über die Lehre des Einen beizubringen. Ein wenig Bildung würde euch nämlich dort, wo ihr hingehen werdet, nicht schlecht zu Gesicht stehen. Sie kann euch sogar das Leben retten. Aber das besprechen wir im Inneren des Turms. Hier ist kein Ort für so etwas.«
    Voxlar fuhr herum und lief mit wogender Toga zurück. Corellius und Ulme folgten ihm.
    »Die Waffen müsst ihr draußen lassen«, bemerkte der Oberste Tutor.
    »Sollen wir sie einfach vor der Tür liegen lassen?« Fassungslos starrte
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