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Goetterdaemmerung - Roman

Goetterdaemmerung - Roman

Titel: Goetterdaemmerung - Roman
Autoren: El mir Bourges
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immer auf Reisen – musste er nicht erst kürzlich mitten im Winter ins tiefste Russland eilen, nach Nischni-Taguil zu einer riesigen Länderei, die halb in Europa, halb in Asien lag und Gold-, Eisen- und Platinadern sowie der Welt reichste Kupfermine bewahrte. Im Übrigen war er in bewundernswerter Weise durch und durch Geschäftsmann, sprach wenig, zeigte noch weniger Gefühle und korrespondierte, ohne sich lange zum Schreiben hinzusetzen, hauptsächlich über Telegramme.
    Dem Grafen von Oels kam das Privileg zu, sie zu öffnen und die interessantesten Seiner Hoheit zu überbringen. Diesen Augenblick ergriff der Kammerherr, um sich über alles und jeden zu verbreiten und über Arcangeli zu lästern, dessen Aufstieg ihm das Leben vor Bitterkeit und Neid zur Hölle machte. Karl von Este lachte nur darüber, denn wegen seiner Angst vor Intrigen gehörte es zu seiner Strategie, Rivalitäten zwischen seinen Vertrauten bösartig zu schüren, und so missfiel es ihm nicht, wenn Otto bei Arcangelis Anblick manchmal die Drohung ausstieß, er werde diesem Spitzbuben da wie einem Hund die Ohren abschneiden. In der Tat verabscheute er den Italiener, und dieser flüchtete ängstlich vor ihm, denn er kannte die brutalen Wutanfälle des jungen Grafen. Sie glichen einem voranstürmenden Wirbelwind voller Geschrei, Schlägen und Wut, vor dem jeder in Deckung ging. Der arme Cramm lag an der Kette seines fürchterlichen Schülers, zitterte vor ihm, wagte weder zu atmen noch aufzublicken und war glücklich, wenn er von ihm vergessen wurde, weil er sich wie eine Schnecke verkroch. Zweimal schon hatten die wilden Streiche des jungen Grafen den Hauslehrer fast das Leben gekostet, zuerst hatte Otto Vitriol in sein volles Glas geschüttet, und dann kam der Tag, als Otto von der Freitreppe aus mit einer geladenen Pistole auf ihn zielte.
    Doch je schlimmer das Kind seine Wildheit und seinen Wahnsinn trieb, desto nachsichtiger zeigte sich der Herzog, der diese Gewaltausbrüche dem hitzigen und ihn närrisch machenden Alter zuschrieb. In nur wenigen Monaten war Otto um mehr als einen Fuß gewachsen. Jetzt hatte er nicht mehr sein weißes, helles und rosiges Gesicht; sein Antlitz war voller geworden, übersät von Sommersprossen, schien wie braun und fahl gefleckt unter seinem frühreifen roten Flaum, dazu wirkte er beständig wütend. Die Reitgerte in der Hand und die Schottenmütze auf dem Kopf sah man ihn, gefolgt von seiner Hundemeute, auf dem Weg in die Ställe, die er eigentlich nur verließ, um den unsäglich starken Geruch der Stallungen, von Tierurin und Hundeschweiß in die Gemächer zu tragen. Seine Vorlieben für alles Gemeine und Niedrige wurden im Milieu der Stallburschen aufs Beste befriedigt. Er raufte mit ihnen, schwang Mistgabel und Striegel, war beim Beschälen der Stuten zugegen und beging hunderterlei abstoßende Untaten. Und so ausgeprägt war seine Leidenschaft für Pferde, dass er sich nach der Rückkehr von seinen Ausritten noch eine Stunde lang damit vergnügte, vor Claribels Fenstern Volten oder Passaden zu reiten, wobei er die Samenbeete für die Blumen niedertrampelte, die Einfassungen und den Rasen durchfurchte – und einmal sogar fehlte nur wenig, und er hätte in seinem blinden Galopp nach Tisch den Herzog niedergeworfen, der darüber allerdings keineswegs verärgert war.
    Nach langer winterlicher Zurückgezogenheit war nun der Moment gekommen, in dem Karl von Este, hungrig nach frischer Luft und auch, um der kleinen Claribel Gesellschaft zu leisten, die in einem großen vergoldeten Rollstuhl in den Garten hinab gebracht wurde, dort stundenlang spazieren ging. Auch wenn er sich aus dem Landleben nur wenig zu machen schien, machte er es sich bald zur Gewohnheit, jeden Morgen in einer Kutsche bis zu den Parks von Sèvres oder Saint-Cloud zu fahren. Nach diesen düsteren grauen Tagen schien das Wiedererwachen der Natur noch angenehmer. Es war die allererste Frühlingszeit und etwas Frisches und Fröhliches, eine Art Strahlen schwirrte mit Sonne und Wind durch die kühle Luft. Von flüchtiger Freude ergriffen, schritt der Herzog langsam durch die Baumgruppen, blieb vor Vasen und Statuen stehen, betrachtete die verwaisten Bassins. Ein- oder zweimal gewährte er sogar der Belcredi die unvorhergesehene Gunst, sie zu einem Tête-à-Tête mitzunehmen. Doch diese Bezeugungen einer wachsenden Gewogenheit – wie er ihr auch danach gelegentlich kleine Geschenke wie Schmuck, Fächer, Handschuhe und Flitterkram bringen ließ
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