Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goethe war’s nicht

Goethe war’s nicht

Titel: Goethe war’s nicht
Autoren: Frank Demant
Vom Netzwerk:
entgegnete Herr Schweitzer, dachte jedoch das Gegenteil. „Ich hab jetzt aber noch drei Wünsche frei.“
    „Dann fang mal an.“
    „Wunsch eins: Heute wird nur noch rumgelümmelt.“
    „Wie stellst du dir das vor?“
    „Bett“, erklärte er en détail.
    „Und Abendessen?“
    „Wir lassen uns eine Pizza kommen.“
    „Klingt vernünftig“, pflichtete ihm Maria bei. „Viel essen könnte ich eh nicht mehr. Ich bin noch immer pappsatt, Schatz.“
    „Dann lass uns erst mal eine Runde schlafen. Ich bin völlig platt. Die anderen zwei Wünsche spare ich mir für später auf.“
    Die Pizzen waren etwas labberig gewesen, von einem knusprigen Teig konnte keine Rede sein. Maria und Herr Schweitzer hatten beschlossen, sich nach den ARTE-Nachrichten unverzüglich, der Gemütlichkeit wegen, zum Lesen wieder ins Schlafgemach zu begeben.
    Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen. Mit den Jahren hatte Herr Schweitzer eine ausgeklügelte Philosophie des Liegens entwickelt, die er, wann immer sich die Gelegenheit bot, bis zum Gehtnichtmehr kultivierte. Nun, mit Mitte fünfzig – einem Alter, das man getrost schon Staub nennen konnte –, hatte er sie bis zur Perfektion getrieben. Es galt, sich alles für die nächsten Stunden zurechtzulegen, ohne auch nur einmal aufstehen zu müssen. Er schaltete sein Handy aus, schüttelte das Kopfkissen auf und putzte sich die Zähne. Zwei Gläser Kasia-Zimt-Wein fanden ihren Platz auf den Nachttischen. Die Flasche zum Nachfüllen ebenfalls. Obendrein befand Herr Schweitzer, dass Sport in letzter Zeit etwas zu kurz gekommen war. So wählte er als Betthupferl eine Tafel Ritter-
Sport
– seinen Gute-Nacht-Joint hatte er ja auf fahrlässige Weise vermasselt.
    Der neuralgische Punkt bei dieser Planung war seine Blase. Ergo suchte er noch die Toilette auf und presste auch noch den letzten Tropfen Urin aus sich heraus. Kurzum, er tat alles, um ja nicht mehr das Bett verlassen zu müssen. Es sei denn, das Haus brannte, was aber doch eher unwahrscheinlich war. So liebte es Herr Schweitzer. Es war, als lebte er auf seinem eigenen Planeten. Der draußen tobende Sturm bestätigte die Richtigkeit seines Handelns.

Die erste Entführung
    Herrn Schweitzers unbeschwerte Tage fanden um halb neun des nächsten Tages ihr jähes Ende, als Marias Telefon klingelte.
    Welcher Arsch ruft denn sonntags um diese Zeit an?, fragte er sich, drehte sich um und vergrub sich unter dem Kissen. „Grummelbrummel.“
    Eine Abwehrreaktion, die umsonst war, denn schon kurz darauf kehrte Maria ins Schlafzimmer zurück und weckte ihn.
    „Hm? Grrr!“
    „Liebling?“
    Sex? Jetzt?
    „Huhu! Simon.“
    „Nee, jetzt nicht. Bin nicht da. Und außerdem müde.“
    „Es ist wichtig. Du sollst sofort kommen. Jemand ist entführt worden.“
    „Grrr! Alle Tage werden Leute verführt. Was geht’s mich an?“
    Maria kannte keine Gnade und zog ihm die Bettdecke weg.
    „He! Was soll’n das?“, fragte er unwirsch.
    „Kuno Fornet hat angerufen. Es ist verdammt wichtig. Jemand ist entführt worden.“
    Schlagartig war Herr Schweitzer wach und richtete sich auf. „Was? Was erzählst du da?“
    „Der Sohn der Fornets ist entführt worden.“
    „Die haben einen Sohn?“, fragte er, nur um sich kurz darauf einzugestehen, dass er ja sonst nicht hätte entführt werden können.
    „Scheint so. Wir, du auch, sollen sofort rüberkommen.“
    Herr Schweitzer wusste nicht mehr, was er geträumt hatte. Aber es war ein angenehmer Traum gewesen. Und nun das hier. Er hatte immense Schwierigkeiten mit der Realität.
    „Komm, zieh dich an“, bat Maria und brachte ihm seine Klamotten.
    „Danke. Setz bitte schon mal Kaffee auf.“ Denn ohne Koffein zum Aufstehen war er nur ein halber Mensch. Ach was, gar kein Mensch. Eher ein Faultier mit null Bewegungsenergie.
    Eine halbe Stunde später machten sie sich auf den Weg. Ein Regenschirm war nicht vonnöten. Sogar die Sonne schien, auch wenn sie viel von ihrer wärmenden Kraft eingebüßt hatte. Herr Schweitzer hatte sich wieder in seine Freizeitklamotten geschmissen; auf Etikette würde ja wohl bei einem Kriminalfall kein Wert gelegt werden. Außerdem hatte er ohnehin nicht vor, die Sache zu übernehmen. In Frankfurt wusste die Polizei schließlich noch, was zu ihren Aufgaben gehörte. Nicht so wie in Zwickau, wo man etliche Kapazitäten darauf verwendete, die Naziszene mit frischem Geld zu versorgen. Er musste nur Toupet-Fornet davon überzeugen, dass er, Herr Schweitzer, für solch eine vertrackte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher