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Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)

Titel: Goethe - Kunstwerk des Lebens: Biografie (German Edition)
Autoren: Rüdiger Safranski
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und auch die Studenten, die anderswo gewöhnlich durch rüpelhaftes Benehmen auffielen, wandelten, sofern sie es sich leisten konnten, in Schuhen und Seidenstrümpfen, mit gepudertem Haar, den Hut unterm Arm, den zierlichen Degen an der Seite. Leipzig war berühmt für seine Eleganz, die der ortsansässige Dichter Just Friedrich Zachariä, den Goethe kannte, mit den Worten besungen hatte: »Sei nur ein Leipziger, verwirf die schlechte Tracht, / Die dich hier lächerlich, und Schönen schrecklich macht. / Dein Zopf verwandle sich in einen schwarzen Beutel; / Kein Hut bedecke mehr die aufgeputzte Scheitel; / 〈...〉 / Dein Degen werde klein und knüpf um ihn ein Band / Zum Zeichen, daß du dich zu meinem Reich bekannt. / Verabscheu von nun an die ungezognen Händel; / Sprich zierlich und galant, und rieche nach Lavendel.«
    Der junge Goethe war gerüstet, um auf großem Fuß leben zu können. Der Vater versorgte ihn mit einem Monatswechsel von hundert Gulden (so viel verdiente ein tüchtiger Handwerker im Jahr). Der Student speiste teuer an einem reich gedeckten Tisch. In einem Brief an den Freund Riese prahlt er im Oktober 1765:
Hühner, Gänse, Truthahnen, Enten, Rebhühner, Schnepfen, Feldhühner, Forellen, Hasen, Wildbret, Hechte, Fasanen, Austern pp. Das erscheinet Täglich.
Teuer war auch das Theater, wenn man sich die guten Plätze leistete und, wie Goethe, die Kommilitonen dazu einlud. Er war überhaupt sehr großzügig, auch bei den Lustpartien im Umland und in den Gasthäusern. Für die Garderobe waren vorzügliche Stoffe verwendet worden, bei der Anfertigung der Anzüge aber hatte der Vater gespart und den Hausbedienten das Nähen aufgetragen. Was dabei herauskam, war unmodisch, steif, unbeholfen prunkend. Es wirkte lächerlich, und so tauschte Wolfgang die Anzüge, Fräcke, Hemden, Westen und Ziertüchlein bis zum letzten Stück gegen den neuesten Leipziger Schick ein. Als Horn seinem Freund wieder begegnete, erkannte er ihn kaum wieder. An den gemeinsamen Freund Moors schrieb er im August 1766: »Wenn Du ihn nur sähst, Du würdest entweder vor Zorn rasend werden oder vor Lachen bersten müssen. 〈...〉 Er ist bei seinem Stolze auch ein Stutzer, und alle seine Kleider, so schön sie auch sind, sind von so einem närrischen Goût, der ihn auf der ganzen Akademie auszeichnet.« Goethe selbst hatte an Riese, dem Vierten im Freundesbund geschrieben:
Ich mache hier große Figur
und hinzugesetzt:
Aber noch zur Zeit bin ich kein Stutzer.
    Er war es wohl doch geworden, gewiß für den eingeschüchterten Blick des kleinen Horn. Er legte Wert auf eine eindrucksvolle Schauseite, er trumpfte auf, weil er hier im fremden, auch mondänen Leipzig seinerseits gegen Einschüchterung anzukämpfen hatte: Auf Schritt und Tritt ließ man ihn spüren, daß ihm Eleganz, gesellschaftlicher Schliff und der leichte Konversationston fehlten. Mit seiner Mundart stieß er bei den Sachsen an, die ihren Dialekt groteskerweise für den Inbegriff der Schönheit hielten, und da ihm das Kartenspiel zuwider war, hielt man ihn für einen Langweiler, der überdies Ärgernis erregte:
Ich habe etwas mehr Geschmack und Kenntnis vom Schönen, als unsere Galanten Leute und ich konnte nicht umhin ihnen oft in großer Gesellschaft, das armselige von ihren Urteilen zu zeigen
, schreibt er an die Schwester Cornelia. So wurde er, nach einigen Anfangserfolgen, seltener in die gutbürgerlichen Häuser eingeladen. Allerdings bestaunte man ihn unter den Studenten als intellektuelles Wundertier, und mit seinem noch unbeholfenen Charme stand er bei jüngeren und reiferen Frauen hoch im Kurs. Die einen wollten mit ihm flirten, die andern ihn bemuttern. Die Ehefrau des Hofrats Böhme, Professor für Geschichte und Staatsrecht, an den er von Frankfurt aus empfohlen war, nahm sich seiner besonders an, beriet ihn in Kleidungsfragen und Umgangsformen und suchte sein vorlautes Wesen zu dämpfen. Ihr las er auch seine Gedichte vor, die sie behutsam kritisierte. Auf milde Art empfahl sie ihm, was er von manchen Professoren weniger verbindlich zu hören bekam: er solle bescheiden bleiben und sich fleißig dem Fachstudium widmen. Das aber langweilte ihn.
Die Pandekten haben mein Gedächtnis dieses halbe Jahr her geplagt und ich habe wahrlich nichts sonderlich behalten
, schreibt er an Cornelia. Die Rechtsgeschichte hätte ihn wohl interessiert, aber der Professor sei beim zweiten Punischen Krieg steckengeblieben. Vollständiges Wissen gibt es hier nicht.
Ich lasse
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