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Gößling, Andreas

Gößling, Andreas

Titel: Gößling, Andreas
Autoren: Tzapalil - Im Bann des Jaguars
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ganz allein auf ihrer Seite stand. »Pedro!« Jetzt lief sie auch los, immer an der rechten Zaunseite entlang. Die blödsinnigen Kolben drehten sich unter ihren Füßen. Der zermatschte Mais spritzte nur so unter ihren Füßen hervor. Maiskörner blieben zwischen ihren Zehen stecken. Sie hatte das Gefühl, dass wirklich alle Jungs von da drüben nur auf sie zu-rannten. Ein paar waren schon hingefallen, rappelten sich wieder auf, lachten. Die Leute hinter dem Gatter, in den Fenstern, auf den Dächern feuerten sie an. Auch einige Mädchen hatten das Gleichgewicht verloren. Die meisten blieben einfach liegen und riefen irgendwas, mit lachenden oder klagenden Stimmen. Gesichter und Arme, Beine und Füße mit Maismatsch verklebt. Wahrscheinlich riefen sie die Namen ihrer Liebsten. Die kommen auch bestimmt bald zu euch, dachte Carmen, wenn sie erst mal bei mir gewesen sind. Bei dem Opfer eurer Götter, das zu berühren Glück bringt.
    »Pedro!«
    Die Meute der jungen Männer war jetzt höchstens noch zehn Schritte weg von ihr. Es war wie eine Wolke aus aufgerissenen Augen, gewölbten Brustkörben, aus blitzenden Zähnen, rudernden Armen, aus wehenden Haaren, stampfenden Schenkeln, aus spritzendem Speichel, verfleckten Hüfttüchern, die sie gleich unter sich begraben würde. In zehn Sekunden, acht, sechs…
    »Pedro!« Carmen warf sich ihm regelrecht entgegen. Pedro steckte mitten in der Wolke drin, bestimmt hatten sie ihn absichtlich eingekeilt. Seine Augen waren so riesig groß wie Waldseen, seine Haare gesträubt, sein Gesicht schmal und grau vor Angst. Aber die Hände hatte Pedro weiter vorgestreckt als alle anderen und da kriegte Carmen tatsächlich eine Hand von ihm zu fassen und lag im nächsten Augenblick in seinen Armen. Einen Moment lang hingen ein paar Jungs noch an seinen Schultern, als ob sie versuchen wollten ihn doch noch vom Opfer der Götter wegzuzerren. Dann ließen sie ihn los, drehten sich um und rannten tatsächlich einfach weiter, zu ihren Liebsten, die irgendwo in der Maismatsche lagen.
    Überall zwischen den Gattern lagen Pärchen am Boden, aber das bemerkte Carmen erst jetzt. Sie knutschten und streichelten sich gegenseitig und einige schienen schon ziemlich außer Rand und Band. Die Trommeln dröhnten so hart und schnell wie Hammer-schläge. Die Flöten winselten und stöhnten. Die Zuschauer auf dem Platz und in den Häusern schienen im gleichen Rhythmus zu keuchen. Auch Carmen ließ sich jetzt von Pedro auf den Boden hinunterziehen. Ihre Beine fühlten sich so schwach an, dass sie sowieso gleich umgefallen wäre. Die Matsche glitschte und schmatzte unter ihrem Rücken. Die Pärchen um sie herum schrien und flüsterten und stöhnten. Über ihrem Gesicht schwebte Pedros Kopf. Er schien zur gleichen Zeit zu lachen und zu weinen. Mit seinem Körper lag er der Länge nach auf ihr, von den Füßen bis zum Hals, als ob er jeden Zentimeter von ihr beschützen wollte. Berühren, nie mehr loslassen, dachte Carmen. Auch sie weinte und lachte zur gleichen Zeit. Küsste Pedros Mund und spürte seinen Atem in ihrem Mund und seine Zunge an ihrer Zunge und seinen Körper auf ihrem Körper, ganz lieb, ganz zart, ganz heiß und fest. »Ich lieb dich!« Sie flüsterte es in seinen Mund. »Lass mich nicht los, nie mehr!« Sie lachte und schrie es und küsste ihn dabei immer wilder und streichelte seinen Rücken, seine Beine, die sich auf ihr bewegten und ganz verklebt waren von Maismatsche und Schweiß. »Zum ersten Mal, zum letzten Mal!« Es kam ihr so vor, als ob sie beide diese Worte zusammen schrien. Aus einem Mund, einem Körper, sie beide zusammen, in allem zusammen, für immer zusammen, Pedro und sie. »Sie bringen uns um, aber lass uns nicht dran denken, nicht jetzt, nicht jetzt. Bleib bei mir.
    Komm, komm doch. So, ja, so ist es gut. Mein Geliebter!« Sie schrie es in den grünen Himmel hinauf, und noch während sie schrie, wurde Pedro von oben gepackt und von einer Riesenhand emporgerissen, so rasch und überrumpelnd, dass er schon meterhoch über ihr in der Luft zappelte, ehe Carmen auch nur eine Hand nach ihm ausgestreckt hatte.
     
    Die Menge drängte sich da unten und glotzte ihnen hinterher wie einem startenden Flieger auf dem Flugplatz. Zehntausend Köpfe, in zehntausend Nacken zurückgelegt. Zehntausend Hände, die zwanzigtausend Augen beschirmten. Die Sonne stand schon ziemlich hoch über dem Blätter-und Lianendach – verrückt, wie schnell dieser Vormittag vergangen war.
    Auch Carmen schwebte
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