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Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Godspeed Bd. 2 - Die Suche

Titel: Godspeed Bd. 2 - Die Suche
Autoren: Beth Revis
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ansehen kann. Ich spüre Amys Blick, der mich anfleht, Orion eingefroren zu lassen, und Orion, der mich anfleht, wieder ins Leben zurückzudürfen.
    »Es geht«, stelle ich fest. »Ich kann den Vorgang verlangsamen.«
    »Dann tu es«, verlangt Amy.
    Ich tippe die Zahlen ein, verstelle den Regler, und der Countdown verlängert sich von einem Tag auf drei.
    »Können wir das wiederholen?«, will Amy wissen. »Können wir jedes Mal mehr Zeit hinzufügen, wenn die Uhr abzulaufen droht?«
    Ich nicke langsam.
    »Dann machen wir das«, entscheidet sie entschlossen. »Wir drehen ihn immer wieder zurück. Dann muss er nie aufwachen.«
    Amy starrt Orion finster an. Und ich erkenne dieses Mädchen, dessen Herz so voller Hass ist, kaum wieder.

70
    Amy
    Als Junior und ich aus der Luke im Teich steigen, hat sich dort schon eine Menschenmenge versammelt.
    »Ist es wirklich wahr?«, ruft jemand.
    »Ist was wahr?«, fragt Junior.
    »Dass es doch noch einen Weg gibt, das Schiff zu verlassen?«
    Bartie streckt mir die Hand entgegen und hilft mir auf den letzten Stufen der Leiter. »Ich musste es ihnen sagen«, erklärt er. »Diese Riesenluke in der Mitte des Teichs ist ja auch nicht zu übersehen.«
    »Ja, es ist wahr!«, ruft Junior.
    »Müssen wir alle gehen?«, schreit jemand. Ich wirble herum, weil ich wissen will, wer das war, aber ich kann die Person nicht sehen. Die Menge scheint zweigeteilt zu sein. Die, die am dichtesten um das Schlammloch herumstehen, das bisher der Teich war, sind außer sich vor Freude. Sie liegen sich in den Armen und bei Juniors Worten laufen ihnen Freudentränen übers Gesicht.
    Aber andere halten sich zurück. Sie sehen misstrauisch und besorgt aus, machen finstere Gesichter und tuscheln hinter vorgehaltener Hand. Sogar von hier aus sehe ich einige mit hellgrünen Medipflastern.
    Ein paar von ihnen haben die Pflaster in der Hand, zerknüllen die Verpackung, reißen sie aber nicht auf. Bei anderen kleben die Pflaster bereits auf dem Arm und sie starren weggetreten vor sich hin.
    »Wir werden eine weitere Versammlung abhalten«, ruf Junior. »Ich rufe gleich alle zusammen.« Er aktiviert seine Dra-Kom für einen Allruf und bestellt alle 2763 Bewohner zu uns in den Garten.
    Nein. Es sind keine 2763 mehr. In Gedanken ziehe ich alle ab, die nicht mehr da sind. Victria. Luthor. Alle hochrangigen Techniker. Die Leute, die während des Aufstandes gestorben sind. Die Leute, die Doc mit den Pflastern ermordet hat. Die Besatzung der Godspeed, die mir bisher so einzigartig erschien, kommt mir plötzlich sehr verletzlich vor.
    Bartie geht zögerlich auf Junior zu. »Kann ich … wäre es dir recht, wenn ich etwas sage?«
    Junior grinst ihn etwas gequält an. »Willst du den nächsten Aufruhr anzetteln?«
    »Nein«, sagt Bartie. Er ist vollkommen ernst.
    Junior schaut zu mir auf. Ich lasse die beiden allein. Sie entfernen sich von mir und reden leise miteinander. Ich sehe, wie aufmerksam Junior sich anhört, was Bartie zu sagen hat, und als sie fertig sind, geben sie sich mit einer Ernsthaftigkeit die Hand, die mich nervös macht.
    Es scheint eine Ewigkeit zu dauern, bis sich endlich alle am Teich versammelt haben. Die Leute kommen langsam – ich sehe sie über die Felder gehen. Ich berühre meine Haare – ich trage weder mein Kopftuch noch meine Kapuzenjacke, aber das ist mir egal. Ich habe keine Angst mehr. Ich habe heute einen Mann angeschossen und eine Frau sterben sehen. Unter mir ist eine Raumfähre, die mich von hier wegbringen wird. Was diese Leute von mir halten, ist mir vollkommen gleichgültig.
    Ich stehe am Ufer des Teichs an der Seite, die der Wand am nächsten ist. Als sich immer mehr Leute einfinden, wird es eng und einige rücken näher an mich heran. Viele halten immer noch Abstand oder mustern mich verächtlich, aber die meisten ignorieren mich. Ein Mädchen streift versehentlich meinen Arm.
    »Entschuldige«, sagt sie.
    Ich starre sie verdutzt an. Sie ist nicht zurückgezuckt und hat kein angewidertes Gesicht gemacht. Sie hat nicht einmal ihren Arm weggerissen, als wäre ich verseucht.
    Junior watet in den Schlamm des ehemaligen Teichs und stellt sich neben der Luke auf. Victria hat gesagt, dass man sich nicht aussuchen kann, wen man liebt. Ich weiß immer noch nicht, ob das stimmt, aber das spielt auch keine Rolle mehr. Denn ob ich nun eine Wahl habe oder nicht – mein Herz gehört ihm.
    Alle schauen zu ihm hin. Er steht bis zu den Knöcheln im Schlamm und verlagert sein Gewicht immer
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