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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)
Autoren: Lisa Unger
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fing es heftig zu regnen an. Als er wieder im Auto saß, war er klatschnass. Er legte die Einkäufe auf den Rücksitz. Dann warf er einen Blick in den Rückspiegel und strich sich das dunkelbraune Haar aus der Stirn. Er zog ein Handtuch aus der Sporttasche, die auf dem Rücksitz lag, tupfte seine Anzugjacke ab und wischte die Regentropfen von den Ledersitzen.
    Zitternd ließ er den Motor an. Es war nicht einmal besonders kalt, trotzdem fröstelte er am ganzen Leib. Für einen Moment blieb er wie gelähmt sitzen. Er brauchte eine Minute, nur eine einzige Minute der Stille, bevor er sich seine Maske wieder aufsetzte. Er legte den Rückwärtsgang ein, um aus der Parklücke zu setzen, aber dann griff er spontan unter den Beifahrersitz und holte den kleinen, schwarzen Beutel aus seinem Versteck. Kevin wollte sich bloß vergewissern, dass alles noch an seinem Platz war.
    Er bewahrte den Beutel dort auf, seit sie im Sommer nach Florida gefahren waren und mit den Kindern Disneyworld besucht hatten. Allein für Eintrittskarten, Hotel und Essen hatte er über dreitausend Dollar hingeblättert. Das ganze Unterfangen war eine Pantomime der Normalität gewesen und die endlose Fahrt nach Süden ein einziges Chaos aus Salzstangen und Saftkartons, begleitet von Camerons nervigen CDs und Claires ewigem Gezeter und Geheul. Tagsüber waren sie durch den Vergnügungspark gelaufen, was Cameron viel Spaß gemacht hatte. Aber die Kleine war einfach noch zu jung dafür, und in Kombination mit der gnadenlosen Hitze und den endlosen Warteschlangen trieb ihr Geweine ihn fast in den Wahnsinn. Er zwang sich zu einem Lächeln, obwohl er fürchtete, sein Kopf könnte jeden Augenblick explodieren. Er hatte Paula als attraktive, clevere und spritzige junge Frau kennengelernt. Nun lief sie als zweifache (und zwei Kleidergrößen breitere) Mom durch Disneyworld. Seit wann waren ihre Beine so stämmig? Während des Ausflugs war Kevin klar geworden, dass er einen Ausweg brauchte. So konnte er nicht weiterleben. Eine Scheidung käme natürlich nicht in Frage. Was für eine Vorstellung!
    Eines Abends war er losgefahren, um Pizza zu holen. Er hatte eines der vielen Waffengeschäfte in der Gegend aufgesucht, die ihm zuvor aufgefallen waren.
    »Das hier ist die beliebteste Schusswaffe in Amerika«, hatte der Verkäufer erklärt. »Die Glock 17 hat eine Munitionskapazität von siebzehn Neunmillimeterpatronen. Sie ist federleicht und ideal für den Hausgebrauch. Hoffentlich kommen Sie nie in so eine Lage, aber im Notfall können Sie damit auch ohne große Waffenkenntnisse Ihre Familie verteidigen.«
    Der Verkäufer war etwa Mitte zwanzig, und seine Begeisterung für den Job war geradezu krankhaft. Er verkaufte Kevin auch eine Schachtel Patronen.
    Wenige Tage später, am Abend vor der Heimreise, fuhr Kevin noch einmal hin und holte die Glock ab. Er konnte kaum fassen, dass er das Geschäft ganz legal mit einem Stoffbeutel verlassen konnte, in dem eine Pistole und Munition steckten. Auf dem Parkplatz hatte er alles unter dem Beifahrersitz verstaut. Seit sechs Monaten lag der Beutel nun dort. Paula benutzte seinen Wagen nie, und am Wochenende fuhren sie den Mercedes-Geländewagen, in dem sich die Kindersitze und die Wickeltasche und der Rest der Babyausrüstung – Buggy, Trinkflaschen, Feuchttücher – befanden. Paulas Wagen war immer so vollgeladen, als wollte sie monatelang verreisen.
    Kevin griff in den Beutel, nahm die Plastikschatulle heraus und öffnete sie. Die flache, schwarze Pistole lag im Futteral und schimmerte im bernsteinfarbenen Licht der Parkplatzlampen. Er bewunderte die harten Kanten und den geriffelten, ergonomisch geformten Griff. Er hörte den Regen aufs Autodach trommeln und die gedämpfte Stimme einer Frau, die auf dem Weg zum Auto in ihr Handy sprach. Ich kann nicht glauben, dass er das gesagt hat, schimpfte sie. Was für ein Idiot!
    Der Anblick der Pistole tröstete ihn. Seine Schultern entspannten sich, sein Atem ging ruhiger. Die entsetzliche Spannung, die ihn den ganzen Tag gequält hatte, schien ein Stück weit nachzulassen. Kevin wusste nicht, warum. Hätte man ihn gefragt, warum ihn der Anblick einer Pistole mit solch unglaublicher Erleichterung erfüllte, hätte er keine Antwort gewusst.

EINS
    J ones Cooper fürchtete den Tod. Seine Todesangst weckte ihn in der Nacht und ließ ihn im Bett hochfahren, drückte ihm die Luft ab, schnürte ihm die Speiseröhre zu, ließ ihn röchelnd nach Luft schnappen. Die harmlosen Schatten im
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