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Glückskind (German Edition)

Glückskind (German Edition)

Titel: Glückskind (German Edition)
Autoren: Steven Uhly
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richtig staunen, wart’s nur ab!«
    Als Felizia eingeschlafen ist, wechselt er ihre Windeln, legt sie ins Bett zurück. Er sucht nach sauberer Wäsche in dem dunkelbraunen Sperrholzschrank, der in der Diele steht. Aber er hat keine mehr. Er zieht den Bademantel an, der ebenfalls muffig riecht. Dann staubsaugt und putzt er die Wohnung. Irgendwann ist die erste Waschmaschine durchgelaufen, Hans hängt die Wäsche auf den ausziehbaren Wäschehalter, der über der Badewanne montiert ist, und füllt die nächste Maschine – vor allem Unterwäsche und Socken, damit er morgen etwas zum Anziehen hat.
    Die ganze Nacht wäscht und putzt und ordnet Hans. Dreimal wird Felizia wach, dreimal bekommt sie etwas zu trinken, dreimal landet sie anschließend wieder in einem weichen, warmen Bett. Als Hans im Morgengrauen die fünfte Waschmaschinenladung aufgehängt hat – über Stuhllehnen, offene Fensterrahmen, auf improvisierten Wäscheleinen –, steht er wieder im Badezimmer vor dem Spiegel und blickt hinein. Er trägt frische Unterwäsche und Socken, die er zum Trocknen auf die frisch entstaubte Heizung gelegt hatte.
    »Na, was sagst du jetzt?«, fragt Hans den Kahlkopf, der ihn siegessicher und müde angrinst. Und der nickt anerkennend und sagt: »Nicht schlecht, alter Mann, nicht schlecht.« Dann geht Hans erschöpft ins Schlafzimmer und legt sich neben Felizia. Er stellt sich den Wecker auf elf Uhr. Morgen ist die Bettwäsche an der Reihe, denkt er noch und schläft ein.
    Hans träumt. Er träumt von seiner Frau. Im Traum ist sie jung und schön. Sie lächelt ihn an und sagt etwas, was er nicht versteht. Hans nähert sich ihr, um besser hören zu können, was sie sagt. Sie lächelt und spricht weiter, aber wieder versteht er sie nicht. Da geht Hans ganz nahe zu ihr und legt sein Ohr an ihren Mund. Und jetzt hört er etwas. Es ist ein gurgelndes Geräusch. Hans schaut seiner Frau ins Gesicht, aber sie ist ein Wasserspeier aus Stein, und dort, wo ihr Mund war, befindet sich nur ein rundes Loch, aus dem jeden Augenblick Wasser hervorsprudeln wird.
    Mit einem Schreck wacht Hans auf. Neben ihm schreit Felizia. Sie ist ganz blass im Gesicht. Ihre Kleider sind nass. Es dauert eine Weile, bis Hans begreift, dass sie sich erbrochen hat. Es riecht nach halb verdauter Milch. Felizias Gesicht ist schmerzverzerrt. Draußen scheint die Sonne, aber Hans nimmt es nicht wahr. Er schaut Felizia ratlos an. »Sie hat Krämpfe!«, ruft er plötzlich aus. Er hebt das schreiende Kind hoch, trägt es ins Badezimmer und zieht ihm dort die Kleider aus. Die Windel ist voll mit einer hellen Flüssigkeit. »Du hast Durchfall«, murmelt Hans. In seinem Kopf tauchen Gedanken auf, während er Felizia abwäscht, deren Geschrei manchmal kurz aufhört, nur um dann stärker wieder einzusetzen. Und immer mit ihrem heiseren Stimmchen, das noch gar nicht richtig laut werden kann. Hans beginnt zu schwitzen vor Angst. In seinen Gedanken tauchen tödliche Viren auf, die seine Felizia befallen haben. Vielleicht ist es zu schmutzig im Müll gewesen. Oder in der Wohnung. Sie hätte ja weiß Gott von besseren Leuten gefunden werden können, denkt er, während er mit Felizia zum Dielenschrank eilt, wo er ihre Kleider untergebracht hat, gleich neben seinen. Neue Windel, neue Kleidung und dann gut in eine dicke Decke einwickeln. Gedanken gehen ihm durch den Kopf. Die Kinderärztin hatte ihm damals erklärt, dass Babys noch kein eigenes Immunsystem haben. »Deshalb braucht sie eigentlich noch Muttermilch«, hatte sie mahnend gesagt und Hanna angeschaut, die mit Fieber auf dem Untersuchungstisch lag. Und jetzt hat Hans wieder ein Kind, das nicht von seiner Mutter gestillt wird. Vielleicht muss ja auch sie arbeiten gehen, denkt er wütend und verzweifelt. Hanna hatte damals hohes Fieber, und er dachte, er müsse sie dick einwickeln, damit sie keinen Schüttelfrost bekommt. Als er dann in der Praxis ankam, schrien die Arzthelferinnen auf und rissen ihr die Decken herunter. Sie fuhren ihn an, ob er etwa nicht wisse, dass kleine Kinder überhitzen können. Er wusste es natürlich nicht, aber das ließen sie nicht gelten. Damals war Hans nur beleidigt, jetzt aber begreift er plötzlich, warum die Frauen so wütend waren. Ich muss mich informieren, denkt er. Ich muss sofort zum Arzt gehen. Er fühlt Felizias Stirn. Sie ist nicht heißer als sonst. Aber diese Blässe macht ihm Sorgen. Hans holt das Wickeltuch aus dem Wohnzimmer, bindet sich Felizia vor die Brust, zieht den Mantel
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