Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Glücksfall

Glücksfall

Titel: Glücksfall
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
zurückzahlte, wieder in meine Wohnung ziehen dürfte. Ich war überzeugt, sie würden mir sagen, kommt nicht infrage – man weiß ja, wie Bürokraten so sind –, aber sie wussten nicht einmal, dass ich ausgezogen war.
    Ich fing also vorsichtig an – immer mit dem unterschwelligen Gefühl, etwas Unerlaubtes zu tun –, meine Kleider wieder in den Schrank zu hängen. Dann bezahlte ich die Stromrechnung und die Anschlussgebühr. Als Nächstes über wies ich die überfälligen Gebühren für die Müllabfuhr. Ich ließ das Kabelfernsehen wieder anschließen. Die Sache kam langsam in Schwung, ich telefonierte mit der Kreditkartengesellschaft und klärte meine Angelegenheiten. Ich schaffte es sogar, mein Mutter-Oberin-Bett zurückzubekommen. Ich kaufte mir eine neue Couch und Stühle und löste den Rest meiner Möbel aus dem Lagerhaus hinter dem Flughafen aus.
    Die ganze Zeit wartete ich darauf, dass irgendetwas mir Einhalt gebieten würde, dass jemand rechtliche Einwände geltend machte, aber nichts dergleichen geschah. Trotzdem dauerte es lange, bevor ich mich sicher fühlte, bis ich wieder das Gefühl hatte, die Wohnung gehörte wahrhaftig mir und ich gehörte in die Wohnung.
    Ich arrangierte die Muffins auf einem Teller, schnitt den Kalten Hund in Scheiben und riss das Zellophan von einer Packung Teebeutel. Meine Güte, hatte ich es je für möglich gehalten, dass ich eines Tages Gäste zum Tee haben würde?
    Es klingelte. Da waren sie schon!
    Ich machte die Tür auf.
    »Hi, Helen.«
    »Wayne.« Wir waren noch etwas befangen miteinander. »Komm rein.«
    Wayne gab mir einen höflichen Kuss auf die Wange.
    Ich wandte mich der Frau neben ihm zu. »Sieh dich an, meine Teure! Schon wieder in Jeans Größe vierunddreißig!«
    »Achtunddreißig«, sagte Zeezah, »aber ich bin auf dem Weg.« Sie hielt mir das Bündel in ihren Armen hin. »Das ist Aaminah. Ist sie nicht süß?«
    Ich betrachtete das Baby. Ich tat so, als wäre ich überwältigt von seiner Schönheit, aber eigentlich versuchte ich festzustellen, ob es Wayne oder John Joseph ähnelte. Man konnte es unmöglich sagen. Das Baby sah einfach aus wie ein Neugeborenes, verschrumpelt und komisch.
    »Sie ist sehr süß. Herzlichen Glückwunsch!« Denn das sagte man zu Leuten, die gerade ein Kind bekommen haben, oder?
    Meine Güte, was war das für ein Theater gewesen in den letzten sechs Monaten! Kaum waren die vier Laddz-Konzerte vorbei, verließ Zeezah John Joseph und ging zurück zu Wayne. Kurz darauf wurde Wayne aus der Klinik entlas sen. (Unsere Aufenthalte überschnitten sich für ein paar Tage, er vollendete gerade seinen Nistkasten, als ich mit der Arbeit an meinem begann.)
    Natürlich hatten sich die Medien über das Liebesdreieck hergemacht, deshalb flohen Wayne und Zeezah außer Landes. (So formulierte es die Boulevardpresse.) In Wahrheit fuhren die beiden ganz normal zum Flughafen in Dublin und flogen mit Aer Lingus nach Heathrow, wechselten dort das Terminal, warteten wie alle anderen Mitbürger ein paar Stunden auf den Weiterflug, kauften Sonnenbrillen bei Sun glasses Hut, weil ihnen nichts anderes einfiel, und flogen dann mit Air Turkey nach Istanbul, wo sie sich eine Wohnung mieteten.
    In der Zeit dort streckte Zeezah wieder die Fühler nach ihrer alten Plattenfirma aus – oh, was für ein Ausdruck, in die Tonne damit! –, mit John Joseph wurde eine Vereinbarung getroffen, die Zeezah von ihren Verpflichtungen ihm gegenüber entband, und sie nahm die Arbeit an einem neuen Album auf. Für das nächste Jahr war eine große Tour nee geplant.
    Vor fünf Tagen hatte Zeezah in einem exklusiven Krankenhaus in Istanbul ihr Baby bekommen – natürliche Geburt nach drei Stunden Wehen, keine Betäubungsspritze, keine Schmerzmittel. Dafür musste man sie bewundern. Wenn das Kind älter war, würde man sicher einen DNA-Test machen, um den »biologischen Vater« (in die Tonne) zu ermitteln, aber das ging nur die Betroffenen etwas an, sie würden schon damit klarkommen.
    Vor zwei Tagen waren Zeezah und Wayne nach Cork geflogen, um Aaminah den Diffneys vorzuführen, und Wayne hatte angerufen und gefragt, ob sie mit dem Baby auch bei mir vorbeikommen dürften. Anscheinend glaubte er, ich hätte maßgeblich zu ihrem Glück beigetragen.
    Ich war überrascht und gerührt, obwohl es bedeutete, dass ich mir eine Teekanne borgen musste.
    »Kommt rein«, sagte ich. »Kommt rein. Ich …« Ich hielt inne. War es zu glauben, dass ich diese Worte wirklich sagen würde? »…
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher