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Glück, ich sehe dich anders

Glück, ich sehe dich anders

Titel: Glück, ich sehe dich anders
Autoren: Melanie Ahrens
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trösten.
    Unsere Familien waren uns von Beginn an eine große Hilfe. Sogar bei meinem Vater brachte Louise ungeahnt zärtliche Gefühle zum Erwachen.
    Einmal besuchten wir meine Eltern. Louise lag im Kinderwagen im Wohnzimmer. Durch den Türspalt konnte ich meinen Vater beobachten. In welche Gedanken auch immer versunken, saß er im Wohnzimmer auf dem Sofa und runzelte die Stirn. Er hatte schon immer viele Sorgenfalten gehabt. Diese schienen sich seit Louises Geburt noch vermehrt zu haben. Plötzlich stand er auf, ging zum Kinderwagen und fuhr sich durch sein schwarzes Haar. Er beugte sich über den Wagen, räusperte sich laut und sagte zu Louise: »Das sage ich dir: Wenn dir mal jemand etwas Böses antut oder etwas Böses zu dir sagt, der kriegt es aber mit mir zu tun!«
    Louise wurde Opas Liebling. Sie war für ihn der Star.
    Nicht nur unser Leben, sondern auch das unserer Eltern veränderte Louise.

WIEDER MUT
    W enige Wochen nach Louises Taufe gründeten wir in unserem Landkreis mit Unterstützung von Frau Hansen von der Frühförderung und einem weiteren Elternpaar mit einem Down-Syndrom-Kind, das wir zufällig kennen gelernt hatten, eine Elternselbsthilfegruppe. Die Frühförderstelle vermittelte uns den Kontakt zur Kreisvereinigung Lebenshilfe Meldorf, deren Mitarbeiterin Frau Wienhold uns tatkräftig bei unseren Vorhaben unterstützte. Das betroffene Elternpaar hatte einen Sohn mit Down-Syndrom, einen charmanten Jungen. Gemeinsam entwarfen wir Eltern mit Hilfe von Frau Hansen und Frau Wienhold eine kleine Broschüre und einen Rundbrief mit unseren Kontaktadressen. Beides verteilten wir unter anderem an die Frühförderstelle, Kindergärten, Schulen, Krankengymnastik-Praxen, Arztpraxen und Krankenhäuser in der Region. In dem Schreiben forderten wir alle Eltern von Kindern mit Down-Syndrom auf, sich mit uns zwecks Erfahrungsaustausches in Verbindung zu setzen.
    Bei unserem ersten Treffen waren wir sieben Familien. Wir trafen uns regelmäßig alle zwei Monate abends mit den Eltern zu Gesprächen. Dabei erfuhren wir, dass die meisten Mütter und Väter die gleichen Ängste und Erfahrungen gemacht hatten wie wir selbst. Beispielsweise waren sie in den Jahren zuvor auch Einladungen zu Feiern der Frühförderung oder eines Kindergartens gefolgt und mussten feststellen, dass auch sie jeweils die einzigen Teilnehmer waren, die ein Kind mit einer Behinderung wie dem Down-Syndrom hatten. Sie waren ebenso enttäuscht gewesen wie ich und hatten das Gefühl, mit ihrem eigenen behinderten Kind unter den nicht richtig behinderten Kindern gar nicht wahrgenommen zu werden. Wir beschlossen, bei den nächsten Festen der Frühförderung alle gemeinsam hinzugehen. Unsere Selbsthilfegruppe organisierte kleine Feiern und Spielnachmittage für die betroffenen Kinder und ihre Geschwister. Die Arbeit machte mir große Freude. Für ein Sommerfest erhielten wir von einigen Betrieben und Supermärkten in der Umgebung Spielzeug, Luftballons, Musik-CDs und Grillbedarf. Und ich war mir nicht zu schade, für unsere Kinder Spenden zu sammeln. Wir veranstalteten einen »Tag der offenen Tür«, um unsere Elternselbsthilfegruppe vorzustellen. Dazu gestalteten wir Plakate mit Fotos unserer Kinder und befestigten sie an Ausstellungswänden. Zum Ausstellen dieser Wände durften wir die Räume eines heilpädagogischen Kindergartens nutzen. Wir verteilten überall Einladungen und Hinweiszettel und luden die örtliche Presse ein, die einige Tage zuvor über die Veranstaltung in der Zeitung berichtete. Die Eltern backten Kuchen, kochten Kaffee und Tee. Für die Kinder gab es Saft und abwechslungsreiche Spielangebote. Unsere Aufregung vor unserem ersten öffentlichen Auftreten war groß. Wir waren zudem gespannt, ob auch Personen erscheinen würden, die nicht direkt mit einer Behinderung in ihrer Familie konfrontiert waren. Tatsächlich kamen eine Menge Interessierte, und der Tag war insgesamt sehr erfolgreich. Die Öffentlichkeit hatte anscheinend großes Interesse an dem Leben mit behinderten Menschen.
    Da ich schon länger einen Computer besaß und gern Briefe schrieb, besorgten Rolf und ich uns Zubehör für einen Internetanschluss. Ich erhoffte mir, über das Internet weitere Kontakte zu Eltern behinderter Kinder zu bekommen. Und ich fand tatsächlich weltweit Informationen über das Down-Syndrom und lernte viele Betroffene kennen. Ich trat im Internet einer deutschen öffentlichen Diskussionsgruppe bei, die sich mit dem Down-Syndrom
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