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Glockengeläut

Glockengeläut

Titel: Glockengeläut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Aickman
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möglicherweise vorhandene Fenster.
    Es läßt sich bekanntlich nicht verhindern, daß Gabel und Messer, beim Essen gegeneinandergeführt, dazu neigen, klappernde Geräusche zu produzieren; darüber hinaus jedoch schien keine weitere Notwendigkeit für die allenthalben in diesem Etablissement praktizierte Geräuschreduzierung zu bestehen, denn die Speisegäste verhielten sich extrem ruhig, was um so auffälliger erschien, als sie alle recht dicht aneinandergedrängt an einer langen Tafel plaziert saßen, welche die Längsachse des Raumes einnahm. Maybury gestand sich jedoch bald ein, daß auch er, mit einer Gruppe ihm vollkommen Fremder zusammengepfercht, wohl nicht allzuviel zu sagen hätte.
    Diese seine Theorie wurde indes nicht auf die Probe gestellt. Auf jeder Seite der Tafel befanden sich vier kleinere Tische, deren eines Ende gegen die Wand gerückt war; sie trugen Gedecke für nur jeweils eine Person, obwohl sie groß genug gewesen wären, vier Personen, zwei an jeder Seite, Platz zu bieten. An einen dieser Tische führte der gutaussehende Bursche in dem weißen Jackett Maybury.
    Die Suppe wurde sofort aufgetragen.
    Die Promptheit der Bedienung ließ sich - einmal abgesehen von der Tatsache, daß Maybury zu spät gekommen war - auf die große Zahl des Personals zurückführen. Es waren dies mindestens vier Männer, alle in weißen Jacketts wie der ›junge Athlet‹, und zwei Frauen in dunkelblauen Kleidern. Die sechs waren bemerkenswert flink und gut eingearbeitet, wenn sie auch die Blüte ihrer Jugend allesamt überschritten hatten. Maybury konnte sonst nichts erkennen, denn man hatte ihn mit dem Rücken zur Schmalwand gesetzt, in der sich die Tür zur Küche befand (sowie weiter hinten jene Tür, durch welche die Gäste vom Salon in den Speisesaal gelangten). Auf jedem der Einzeltische waren die Gedecke so plaziert, daß der Gast weder das Auf- und Zuschwingen der Küchentür noch das Gesicht eines anderen Speisenden sehen konnte.
    Maybury war diesseits der langen Tafel der einzige Sologast (er saß zwar am zweiten Tisch - von der Küchentür aus gesehen -, glaubte jedoch nicht, daß noch ein weiterer Nachkömmling den Platz in seinem Rücken eingenommen hatte). Und auf der anderen Seite der Tafel gab es auch nur noch einen einzeln Speisenden, eine Dame, die man ebenfalls an den zweiten Tisch von oben und somit genau parallel zu ihm plaziert hatte.
    Eine enorme Menge an Suppe schwamm in einem, wie Maybury bei fortschreitendem Speisen deutlich wurde, außergewöhnlich tiefen und großen Teller. Die Ausmaße des Tellers waren ihm zunächst durch die in großen schwarzen Buchstaben ausgeführte Aufschrift ›Das Hospiz‹ verborgen geblieben, die um den weißen Rand lief; fast wie ein Kinderteller, dachte Maybury, wenn nicht sowohl Aufschrift als auch Teller so unmäßig groß gewesen wären. Die Suppe erwies sich als außerordentlich sättigend: Zweifellos enthielt sie Eier und Hülsenfrüchte, zudem hatte man sie eingedickt.
    Maybury war, wie bereits erwähnt, hungrig, fühlte sich jedoch leicht irritiert, als er bemerkte, daß eine der mittelalten Frauen die ganze Zeit hinter ihm stand, während er die nicht wenigen ›letzten‹ Löffel zu sich nahm. Auch die Löffel erschienen ihm, zumindest für die heutige Zeit, überdimensioniert. Mit einem aufmunternden Lächeln entfernte die Frau seinen leeren Teller.
    Und schon stand der zweite Gang auf dem Tisch. Als sie den Teller vor Maybury auf den Tisch stellte, flüsterte ihm die Frau begütigend zu: »Das Hauptgericht heute ist Truthahn«. Ihr Ton war genau jener, mit dem man einem kleinen Jungen sein Lieblingsgericht verspricht. Es war, als sei sie Mayburys Kindermädchen - obwohl Maybury nie ein Kindermädchen gehabt hatte. Der zweite Gang erwies sich als reichhaltige Nudelkomposition - hausgemachte Pasta selbstverständlich, wahrscheinlich am Morgen frisch bereitet. Käse wurde in dicken Brocken aus einer großen Porzellanschüssel auf den Nudelhaufen gestreut, ohne daß man Maybury vorher gefragt hätte.
    »Könnte ich wohl etwas zu trinken haben? Ein Lagerbier vielleicht?«
    »Wir führen nichts dergleichen, Sir.« Sie tat, als wisse Maybury das ganz genau, sei aber dennoch bereit, das Spielchen mitzuspielen. Vielleicht hatte es ja einen Hinweis darauf gegeben, daß das Etablissement keine Alkohollizenz besaß, dachte Maybury.
    »Wie bedauerlich«, erwiderte er.
    Die Ausweichmanöver der Frau begannen ihm lästig zu werden; außerdem stellte er sich

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