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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Seite her. Die Merkmale der Magie waren, nach all den Jahrhunderten, die sie damit zu tun hatte, unverkennbar.
    Ihre Wächter kamen zurück.
    Sie kamen nicht mit dem Wind oder mit dem Rascheln von Blättern. Sie heulten nicht und kreischten oder knurrten, wie sie es sonst meist taten. Statt dessen kamen sie schweigend, ihre Macht war unverkennbar, niemand konnte ihr entrinnen. Sie wirbelten einen Augenblick um Aidris herum, schweigend, ohne sie zu berühren, eine Wolke tödlicher Feuerfliegen, die sie nur halten konnte, weil sie sie mit Blut gerufen und mit Blut in Schach gehalten hatte.
    Sie wartete, ohne sie eine Spur von Angst sehen zu lassen.
    Endlich verschmolzen sie zu der Form ihres Gesichts. »Wir haben entschieden«, sagten sie mit einer einzigen Stimme, die der ihren sehr ähnlich klang.
    »Entschieden.«
    »Ja. Wir wußten nicht, was wir wollten, aber jetzt haben wir uns entschieden.«
    » Ich sage euch , was ihr haben könnt«, erwiderte sie. »Nicht umgekehrt.«
    »Hast du deinen Eid vergessen?«
    Aidris war nicht sicher, daß sie Verärgerung aus der Stimme herausgehört hatte, es war schließlich nicht die Stimme eines echten Lebewesens, sondern nur ein Konstrukt. Trotzdem vermeinte sie Ärger zu spüren.
    »Habt ihr vergessen, daß ihr mir Matthiall und die Herzen seiner beiden Zauberer bringen solltet?«
    »Das hat sich alles geändert.«
    »Wirklich?« Aidris’ Besorgnis, daß sie im Umgang mit den Wächtern etwas falsch gemacht hatte, kehrte zurück, aber sie wußte noch immer nicht, was es sein konnte. Wenn die Dinge sich geändert hatten, mußte sie etwas Unüberlegtes getan haben, dachte sie. Etwas ganz Kleines, scheinbar Unbedeutendes. Ich habe etwas gesagt, das ich nicht hätte sagen sollen, oder umgekehrt.
    Sie wartete, da es anscheinend nichts anderes zu tun gab.
    »Wir haben entschieden, was wir wollen.«
    »Was wollt ihr?«
    »Wir wollen das Blut von allen hier. Jetzt.«
    »Das ist lächerlich. Wenn ihr vernünftig jagt, könnt ihr hier für alle Zeiten leben. Wenn ihr alles auf einmal vernichtet, werdet ihr verhungern.«
    »Nein. Wir gehen nach Hause. Du wirst verhungern. Aber weil es das ist, was wir wollen, wirst du es uns geben, oder wir werden dich verschlingen und trotzdem nach Hause gehen.«
    »Wie kommt ihr auf die Idee, daß ich das zulassen werde?«
    »So lautete dein Eid.« Für einen Moment schwiegen die Wächter. Dann sprach ihre eigene Stimme in ihrem eigenen Tonfall zu ihr: »Genug! Ich gebe euch sein Blut. Ich sagte das doch, oder? Habe ich je ein Versprechen euch gegenüber gebrochen? Ich gebe euch alles, was ihr wollt - ich schwöre es. Aber belästigt mich nicht damit. Geht jetzt und bringt ihn mir rasch. Und bringt mir die Herzen der Zauberer, die er mir gestohlen hat.«
    Sie hielt den Atem an und bedachte ihren Fehler. Ihr erster Fehler war es, mit den Wächtern in einem Zustand der Erregung zu verhandeln. Ihr zweiter und dritter Fehler waren aus dem ersten entstanden und nicht mehr rückgängig zu machen. Sie hatte geschworen, den Wächtern etwas zu geben, ohne die Belohnung an die Bedingung zu knüpfen, daß diese ihre Aufgabe erfolgreich zu Ende brachten. Und sie hatte ihnen etwas angeboten, das sie sich nicht leisten konnte, zu geben.
    Also sterbe ich entweder jetzt, oder ich lasse sie die Welt verschlingen und sterbe bald.
    Soll die Welt doch brennen, dachte sie. Wenn ich Glenraven nicht haben kann, dann auch kein anderer.
    »Nehmt alles«, sagte sie. »Ich gebe euch die Erlaubnis.«

KAPITEL SIEBZIG
     
    Jay hörte Aidris sagen: »Nehmt alles«, und dann sah sie etwas, das sie nicht glauben konnte: Sophie trat hinter einem Baum hervor und sagte: »Nehmt mich zuerst.«
    Der Schwarm Feuerfliegen hüllte sie augenblicklich ein, ohne Vorwarnung.
    »Sophie, nein!« rief Jay, aber ihr Schrei verhallte ungehört. Aidris hatte Sophie erkannt und im selben Augenblick zu kreischen begonnen.
    Und Sophie begann zu glühen, doch die feurigen Flecken unter ihrer Haut erstarben so rasch, wie sie erschienen. Der Schwarm, der sie umhüllte, begann vor Erregung zu summen wie ein Bienenschwarm, der von einem Knaben mit einem Stock geärgert wird. Aidris schrie noch immer. Die drei Warrags, die sie ihr Todesurteil hatten sprechen hören, waren geflohen. Jayjay setzte zum Angriff an.
    Der Schwarm ließ von Sophie ab, die unversehrt war. Er irrte ziellos umher, kreiste und tobte, kein zusammenhängendes Wesen mehr, sondern tausend zornige Stimmen, die gleichzeitig kreischten. Aidris
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