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Gleitflug

Gleitflug

Titel: Gleitflug
Autoren: Anne-Gine Goemans
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Dienstwagen und spähte in Richtung Maschinenschuppen. Gieles wollte ihn ignorieren, aber Willem sprach ihn an.
    »Hörst du das?«, fragte er.
    Gieles blieb stehen und horchte. Ja. Er hörte es. Einen trockenen Husten.
    »Das sind Saatgänse«, sagte sein Vater verwundert. »Die hab ich hier schon seit Jahren nicht mehr gesehen.« Sein geübtes Ohr hatte die seltenen Gäste erkannt, und er konnte kaum seine Freude verbergen. »Ich schätze, es sind etwa zehn.«
    Gieles wusste, dass sein Vater sie nicht gern verjagen würde.
    »Ich wette, es sind neun«, sagte er und sah Tufted und Bufted aus der Babybadewanne trinken. Willem lachte, dann musterte er ihn mit dem nachdenklichen Blick, den er schon seit Tagen für ihn reserviert hatte.
    Gieles schaute in eine andere Richtung. Der Himmel war strahlend blau, der Polder glänzte im Sonnenlicht. Ideale Bedingungen. Keine Wolken, kaum Wind.
    Verhalte dich so normal wie möglich .
    »Vielleicht können wir mit Mama zum Käsemarkt«, sagteer und wusste im selben Moment, wie stupide das klang. Früher waren sie zusammen zum Käsemarkt gefahren, wenn seine Mutter nach einer Serie von Langstreckenflügen nach Hause kam. Dann hatte sie Appetit auf französischen Käse. Aber das war in ihrer Stewardessenzeit, vor den Reisen in Notstandsgebiete.
    »Wenn sie sich dafür fit genug fühlt. Dann können wir das machen, ja.«
    Das klang auch nicht viel intelligenter. Zum Glück kamen jetzt Meike und Onkel Fred aus dem Haus. Sie übersah Gieles völlig. »Darf ich vorne sitzen?«, fragte sie, ohne die Antwort abzuwarten.
    Gieles hielt Onkel Fred die Tür auf und reichte ihm die Krücke in den Wagen. Willem stützte sich mit der rechten Hand auf die Lehne des Beifahrersitzes und fuhr den Jeep rückwärts vom Hof. Es sah fast so aus, als hätte er den Arm um Meike gelegt. Gieles wartete, bis sie auf die Straße einbogen.
    Sein Herz begann zu galoppieren. Er rannte in sein Zimmer zurück und raffte sämtliche Bände der Rizla-Reihe zusammen. Er musste ein großes Opfer bringen. Das größte. Der Stapel passte nicht ins Waschbecken. Er trug ihn nach draußen, hinters Haus. Dort riss er die bunten Blätter aus den Umschlägen, zerknüllte sie und warf sie in einen Blecheimer. Gartenrotschwanz, Senegalamarant, Schmetterlingsfink.
    Ob er wollte oder nicht, er musste an seinen Opa denken. Mindestens fünf Jahre war er jetzt tot, aber Gieles hatte plötzlich das Gefühl, dass er ihm über die Schulter sah. Schuldgefühl nagte an ihm, an seinen ohnehin zum Zerreißen gespannten Nerven. Verdammt, das hatte noch gefehlt. Er musste seinen Opa beschwichtigen und wegschicken. Laut sagte er: »Lieber Opa, deine Vögel werden deinen Sohn und seine Frau … also meine Mutter … Ellen … wieder glücklich machen … Die Vögel werden …« Er seufzte. Ja, was würden die Vögel tun?
    13:50 Uhr.
    »Du bist auch verbrannt worden«, fuhr er hastig fort, »und jetzt werden deine Vögel zu dir … aufsteigen.«
    Er warf ein paar brennende Streichhölzer in den Eimer. Flammen leckten an bunten Federn. Das Ergebnis jahrelangen Sammelns ging innerhalb weniger Sekunden in Rauch auf, aber er hielt sich nicht mit diesem Gedanken auf. Sein Opa verschwand.
    Seine nächste Sorge galt Wallie. Wo steckte sie?
    Scheiße!
    Er musste Wallie in sein Zimmer bringen. Nervös lief er auf den Campingplatz. Vor der Hütte mit den Toiletten und der Dusche rannte er fast in Johan hinein. Außer Toon war der wohl der Letzte, den er jetzt gebrauchen konnte. Johan hatte eine Rolle Klopapier unterm Arm. Er hob die weißen Augenbrauen. »Erwartest du Regen?«
    Gieles schüttelte ärgerlich den Kopf. Jetzt nicht noch blöde Bemerkungen über seinen Schirm.
    »Ich glaube nämlich eher«, fuhr Johan fort, »der Tag bleibt so schön.«
    »Haben Sie Wallie gesehen? Meine kleine weiße Gans?«, fragte Gieles hektisch.
    »Wallie. O ja. Die schläft auf meinem Stuhl.«
    »Auf Ihrem Stuhl?«
    »Meinem Gartenstuhl.«
    Verdammte Scheiße!
    »Ich hole sie sofort da weg.«
    »Deine kleine Gans wartet auf dich«, sagte Johan in kläglichem Ton. »Wie ich. Schon seit Wochen warte ich auf dich, damit wir endlich weitermachen können, wo wir stehengeblieben waren. Irgendwo in der Zeit zwischen 1977 und ’81. Hatten wir eigentlich schon die Notlandung einer Douglas DC -9-31 auf einem Highway in Georgia, mit siebzig Toten? 1977. Viel weitersind wir jedenfalls nicht gekommen. Also das war eine wirklich spektakuläre Bruchlandung …«
    »Ich hab jetzt
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