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Glatze mit Sommersprossen

Glatze mit Sommersprossen

Titel: Glatze mit Sommersprossen
Autoren: Wolfgang Ecke
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allerdings war, ich gebe es, ei der Daus und heiliges Kanonenröhrchen, nur ungern zu, daß ich mich über das Ziel unserer Reise informieren mußte. Über die Insel Kreta im allgemeinen und über Iraklion im besonderen. Schließlich war damit zu rechnen, daß Philip mir Fragen stellte. Na, und welcher Meisterdetektiv kann es sich schon auf die Dauer leisten, nichts zu wissen.
    Also lenkten Pinsel und ich unsere Schritte in Richtung von Theodor Staubles Buchhandlung. Dort, das wußte ich, würde ich alles finden, was ich suchte. Als ich seinerzeit den „Gespensterfall“ auf Schloß Herrenflo aufklären sollte, konnte man mir sogar mit dem Fachbuch „Mitternacht — Der richtige Umgang mit Geistern, kleinen und großen Gespenstern und fliegenden Spukern“ helfen. Doch dann fielen mir fast die Pupillen aus dem Gesicht: Faßte mich der magere Theo Staubte am Arm und dirigierte mich zu einem vier Meter langen Regal.
    Er stieß seinen knochigen Zeigefinger in die warme Luft und sagte: „Hier haben Sie einen Bruchteil der Bücher, die über Griechenland und Kreta geschrieben wurden.“
    Als er meinen schweren Atem hörte, tätschelte er mir freundlich die linke Schulter und erklärte: „Ich laß Sie jetzt ein bißchen allein. Blättern und lesen Sie in aller Ruhe...“
    Ich zog mir einen gepolsterten Hocker heran und nahm in Reichweite von Kreta Platz. Warum ausgerechnet Kreta? Warum nicht Grönland oder Korsika, Texel oder Andorra? Warum ausgerechnet Kreta mit zig Kilometer Literatur?
    Und dann noch nicht mal als Detektiv. Oh, Baldi, auf was hast du dich da eingelassen...
    Nach zwei Stunden Suchen entschied ich mich für drei Titel. Pinsel belohnte ich für sein geduldiges Warten mit einer Portion ungewürztem Ochsenmaulsalat. Für mich selbst ließ ich von Fleischermeister Gurgel fünf Paar Wiener einpacken.
    Es schlug sieben, als wir zwei, beladen mit Kreta, Wurst und Salat, wieder zu Hause eintrafen.
    Pinsel schmatzte gerade sein Ochsenmaul magenabwärts, und ich war dabei, die fünf Pärchen auf den Herd zu stellen, als das Telefon klingelte.
    „Na, Pinsel, das wird doch nicht etwa der Innenminister mit dem Jahrhundertauftrag sein, was, hehehe? Ausgerechnet jetzt, wo wir uns schon mit einem Bein auf dem Marsch zu den alten Griechen befinden, was, hehehehe?“
    Ich war wieder ein albernes Hörnchen, aber das lag einfach an meiner tollen Laune.
    Rrrrrrrr.... das war das vierte Klingeln.
    Links-zwo-drei-vier...
    Rrrrrrr... Brust rein, Bauch rein, ernstes Gesicht, Hörer hoch — und dann: „Bitte, sprechen Sie, ich werde antworten!“ meldete ich mich.
    „Natürlich erkenne ich Sie sofort an der Stimme, Herr Pfiff!“ Großmutter Agathe Mallinger, und nicht der Innenminister, drang mir sozusagen akustisch ins Ohr. Und wenn ich es mir recht überlegte, so klang sie recht überanstrengt.
    Ich sagte es ihr und erntete einen röchelnden Seufzer, schwer und abgrundtief.
    „Herr Pfiff, wie sieht ein Augenzeugenbuch aus?“
    Ich war perplex. Fünf Sekunden lang vergaß ich sogar den bohrenden Schmerz meines Hungers.

    „Unter uns gesagt, gnä’ Frau, das Augenzeugenbuch ist eine Erfindung von mir. Ich wollte Philip damit von seinem Waffenarsenal wie Spritzpistole und Blasrohr ablenken."
    Wieder seufzte sie. „Ich habe ihm so ein kleines Oktavheft gekauft, da hat er mich ausgelacht und behauptet, sein Augenzeugenbuch müsse fünfmal größer und zehnmal dicker sein, er sei schließlich ein Superbeobachter.“
    „Kaufen Sie ihm ein DIN A 4-Hauptbuch. Da hat er was zu schleppen und ist beschäftigt.“
    „Stammt die Sache mit dem Beobachten von Ihnen?“ Nein, es war kein Vorwurf in ihrer Stimme. Höchstens Neugier. Ich gestand: „Allerdings. Beobachtet er schon?“
    „Beobachten ist zu wenig. Er belauert uns regelrecht. Ida wagt sich kaum noch aus ihrem Zimmer. Er schleicht ihr auf Schritt und Tritt nach und notiert jedes Muskelzucken.“
    „Ich glaube (glaubte ich das wirklich???), dieser Eifer wird sich bald wieder legen. Und vergessen Sie nicht, in ein paar Tagen sind Sie ihn ja los.“
    „Sie haben es sich also nicht anders überlegt?“ Ei der Daus, so viel Erleichterung in einer einzigen Stimme hatte ich noch nie gehört.
    „Wo denken Sie hin. Wenn Balduin Pfiff einmal A sagt, singt er auch den Rest des Alphabets herunter.“
    Wir plauderten noch ein Weilchen, genauer gesagt, bis zu jenem Augenblick, wo es weit entfernt von mir knallte, Frau Mallinger einen spitzen Schrei ausstieß und hastig
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