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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth
Autoren: Love Pray Eat
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Roms vor Augen führt, ob für Bäder, Zisternen,
Abwassergräben, Häuser, Gärten, Villen, und dann noch die weiten Entfernungen
berücksichtigt, die das Wasser zurücklegt, die Bögen, die errichtet, die Berge,
die durchbohrt, die Täler, die überspannt wurden - so wird er zugeben müssen,
dass er auf der ganzen Welt niemals etwas Großartigeres gesehen hat.«
    Zwei Jahrtausende später habe ich bereits einige Lieblingsbrunnen
auserkoren. Einer befindet sich im Park der Villa Borghese. Die Mitte dieses
Brunnens bildet eine ausgelassene, in Marmor gehauene Familie. Der papa ist ein
Faun, die mamma ein Mensch. Sie haben ein kleines
Kind, das sich eine Weintraube schmecken lässt. Papa und mamma nehmen
eine merkwürdige Haltung ein - Aug in Auge packen sie einander bei den
Handgelenken, wobei sich beide zurücklehnen. Schwer zu sagen, ob sie im Streit
aneinander zerren oder fröhlich im Kreis tanzen, jedenfalls ist da eine Menge
Energie im Spiel. Wie auch immer, Junior thront auf ihren Händen, genau
zwischen ihnen und völlig unbeeindruckt von ihrer Heiterkeit oder ihrem Zwist,
und mampft seine Weintrauben. Seine kleinen gespaltenen Hufe baumeln herunter,
während er isst. (Er kommt eher nach dem Vater.)
    Es ist Anfang September 2003. Das Wetter
ist warm und macht faul. An diesem, meinem vierten Tag in Rom habe ich meinen
Fuß noch nicht über eine Kirchen- oder Museumsschwelle gesetzt, noch habe ich
auch nur einen Blick in einen Reiseführer geworfen. Aber ich bin viel
herumgelaufen und habe schließlich die klitzekleine Eisdiele gefunden, die nach
Aussage eines freundlichen Busfahrers das beste Eis von ganz Rom verkauft. Sie
heißt »Ii Gelato di San Crispino«. Ich probierte eine Kombination aus Honig-
und Haselnusseis. Später an diesem Tag ging ich noch einmal hin, um mir Grapefruit
und Melone zu kaufen. Und am selben Abend nach dem Essen legte ich ein letztes
Mal den ganzen Weg zurück, nur um eine Kugel von dem Zimt-Ingwer-Eis zu kosten.
    Ich versuche, jeden Tag einen Zeitungsartikel zu lesen,
egal, wie lange es dauert. Etwa jedes dritte Wort schlage ich in meinem
Wörterbuch nach. Die Nachricht des heutigen Tages war wirklich umwerfend.
Schwer, sich eine dramatischere Schlagzeile vorzustellen als: »Obesita! I bambini
italiani sono ipik grassi
d'Europa!« Guter Gott! Fettleibigkeit! Die
italienischen Kinder sind die dicksten in Europa! Beim Weiterlesen erfahre ich,
dass italienische Kinder bedeutend dicker sind als deutsche und sehr viel
fetter als französische. (Gott sei Dank wurde nicht erwähnt, wie sie gegenüber
den amerikanischen Kindern abschneiden.) Dem Artikel zufolge sind heutzutage
auch italienische Jugendliche fettleibig. (Die Pasta-Industrie verteidigte
sich.) Diese alarmierende Statistik über Fettleibigkeit bei italienischen
Kindern wurde gestern von una task force internazionale veröffentlicht.
Ich brauchte fast eine Stunde, um den Artikel in seiner ganzen Länge zu
entziffern. Ich weiß nicht, ob ich mich in der letzten Zeile des Artikels
verlesen habe, aber offenbar hatte die Regierung verlauten lassen, dass die
einzige Möglichkeit, gegen diese Fettleibigkeit anzugehen, darin bestehe, den Übergewichtigen
eine Steuer aufzuerlegen ... War das möglich? Werden sie, wenn ich weiterhin so
viel esse, hinter mir her sein?
    Die tägliche Zeitungslektüre ist auch wichtig, wenn man
wissen will, wie es dem Papst geht. Hier in Rom wird über das Befinden des
Papstes, fast wie über das Wetter oder das Fernsehprogramm, täglich in der
Zeitung berichtet. Heute ist der Papst müde. Gestern war der Papst nicht so
müde wie heute. Morgen, so die Erwartung, wird der Papst nicht ganz so müde
sein, wie er es heute war.
    Für mich ist das hier so etwas wie ein Märchenland der
Sprache. Gestern Morgen habe ich eine Buchhandlung entdeckt und hatte das
Gefühl, einen verzauberten Palast zu betreten. Ich wanderte durch den Laden,
berührte all die Bücher, hoffte, dass man mich für eine Muttersprachlerin
hielt. Wie sehr ich mir wünsche, dass sich mir die italienische Sprache
erschließt! Dieses Gefühl erinnert mich an die Zeit, als ich noch nicht lesen
konnte, aber darauf brannte, es zu lernen. Ich weiß noch, wie ich mit meiner
Mutter im Wartezimmer eines Arztes saß und die Zeitschrift Good
Housekeeping vor mir hielt, langsam die Seiten umblätterte, auf den
Text starrte und hoffte, dass die Erwachsenen im Wartezimmer dächten, ich würde
tatsächlich lesen. Seit damals habe ich keinen so großen
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