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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen
Autoren: Heike Schroll
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Sehr sogar. Aber nicht im Moment. Unsere Arbeit haben wir nämlich bereits erledigt! In den letzten Jahren schien es nichts Wichtigeres zu geben, als das große Fest vorzubereiten. Du würdest nicht glauben, was da alles zu tun war! Jetzt wäre es wohl etwas zu spät, um mit den Vorbereitungen anzufangen, meinst du nicht?«
»Na gut!«, räumte Walter ein. »Aber der normale Mann von der Straße, der nicht jahrelang forscht, sondern nur was über Berliner Geschichte erfahren will? Was macht der? Ich denke auch an die Zeitungsfritzen, das Fernsehen oder die vielen Touristen.«
»Oh. Darum kümmern sich andere. Da gibt es extra eingerichtete Dienststellen mit ganzen Geschwadern von in Geschichtspropaganda geschulten Leuten. Sogar unser Archiv musste zwei Mann dahin abgeben.« Dann hoffte Laura, ihn etwas aufziehen zu können: »Das wird dir gefallen: Einige Archiv-Kolleginnen machen sogar beim großen Festumzug mit, und du wirst nicht glauben, wo – auf dem Wagen von Miss Berlin!«
»Eine Archivarin ist Miss Berlin?« Das konnte sich Walter beim besten Willen nicht vorstellen.
Laura konnte sich das Lachen kaum noch verkneifen, als sie ihn anblickte. »Natürlich nicht!«
Walter machte ein ebenso abschätziges Gesicht, wie Laura es bei anderen schon öfter gesehen hatte. Auch seine Anschauung war ähnlich: »Und überhaupt – eine Miss! Das hat uns wirklich noch gefehlt! Närrisch! Aber was sagtest du, machen deine Kolleginnen auf dem Wagen?«
Laura prustete los: »Sie geben die Sittenpolizei! ... Es muss ein kurioses Bild abgeben, ich weiß. Die knapp bekleidete Miss schmust verführerisch mit einem riesigen, braunpelzigen Berliner Bären! Und zu ihren Füßen laufen einige Mädchen, wohl als Kontrast zur ihr – sittsam bis oben hin zugeknöpft, mit knielangen Röcken und unschuldig winkend – nebenher. Ein riesiger Spaß für alle!«
Walter lachte mit. »Was für ein Theater!«
»Gute Zusammenfassung!«, stimmte ihm Laura vorbehaltlos zu. »So sollte man das Ganze tatsächlich sehen. Als Theater – Brot und Spiele waren immer schon beliebt. Deswegen hatte ich auch kein schlechtes Gewissen, mich jetzt für ein paar Wochen zu verdrücken. Und wenn es dann bei den Feierlichkeiten im Sommer richtig hoch hergeht, bin ich ja wieder vor Ort.«
»Schön.« Walter nickte. »Und was hast du nun vor in deinem Urlaub?«
»Nichts.«
»Nichts? Hervorragend! Dann könnten wir beide ...«
Abrupt wurde Walter von Laura unterbrochen: »Warte! Mir fällt gerade wieder ein, Judith hatte mich gebeten, ihr bei einer Recherche behilflich zu sein. Das will ich unbedingt erledigen. Aber sonst habe ich nichts vor.«

Judith Brunner, Polizeihauptkommissarin, wohnte bereits gut ein Jahr, seit sie in Gardelegen die Leitung der Kreisdienststelle der Volkspolizei übernommen hatte, in Lauras Haus zur Miete. Beinahe waren die Leute in Waldau ein wenig stolz, dass eine in der Region so bedeutende Person in ihrem Dörfchen wohnen wollte.
Ein halbes Jahr vor ihrem – zunächst als Zwischenlösung gedachten – Einzug hatten sich Laura Perch und Judith Brunner während einer Mordermittlung kennengelernt. Beide Frauen waren etwa im gleichen Alter, Mitte dreißig, beruflich engagiert; auch ihre private Lebenssituation sah ähnlich aus: ledig, kinderlos, Großstädter mit einem Hang zum Landleben. Durchaus zufrieden damit, war aus anfänglicher Sympathie rasch eine Freundschaft geworden.
Ohne Zögern hatte Laura Judith nach deren Versetzung den Vorschlag gemacht, dauerhaft bei ihr einzuziehen. Laura nutzte das von den Großeltern geerbte Haus ohnehin nur als Wochenend- und Urlaubsdomizil und war froh, dass es nun eine Dauerbewohnerin hatte und sie nicht mehr ständig ihre Freunde und Nachbarn bitten musste, während ihrer Abwesenheit nach dem Rechten zu sehen.
Judith Brunner hingegen schätzte neben dem ruhigen Wohnen in Waldau auch die Distanz zu ihrem Arbeitsort. Die stressfreie Autofahrt am Morgen gestattete es ihr, sich in Ruhe auf den kommenden Tag einzustellen, und zum Feierabend gelang es ihr auf der knapp halbstündigen Rückfahrt zumeist, einiges von der Last der Polizeiarbeit hinter sich zu lassen.
Die Wohngemeinschaft der beiden Frauen erwies sich einfach als ideale Lösung – und das nicht nur in einer Hinsicht! Lauras Haus war nämlich nur durch eine leer stehende Kate von Walters Anwesen getrennt. Ihr war es unter diesen Wohnverhältnissen natürlich nicht verborgen geblieben, dass zwischen Walter und Judith eine innige Zuneigung
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