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Gier

Gier

Titel: Gier
Autoren: Garry Disher
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zerbarst.
    »Ich gebe dir keine zweite Chance«, sagte Wyatt.
    Er griff nach vorn und schlug mit dem Lauf der Browning auf ihr Handgelenk. Ihre .38er fiel zurück in die Tasche. Alles in allem, dachte er, war er ihr diesmal einen Schritt voraus gewesen. Es war, als bekäme er nach einer Zeit der Blindheit die Übersicht zurück. Er beobachtete, wie sie zitterte und stöhnte. »Halt die Klappe«, sagte er. »Du hast immer noch deinen Anteil am Geld.«

Dreiundvierzig
    »Was jetzt?« fragte sie mit flacher Stimme.
    »Wir wischen auf«, sagte er.
    Er entfernte das durch den Einschuß zersplitterte Glas der Windschutzscheibe, gab ihr die Schlüssel für den Falcon und befahl ihr, ihm durch die Stadt zu folgen.
    In ihrem Haus arbeiteten sie in gespannter, unangenehmer Stille. In ihrem Schuppen hatte sie Handtücher, Leitern, Farbe, Pinsel, Roller und Abdeckfolie. Wyatt wickelte Bauers Körper in die Folie, und sie half ihm, ihn nach draußen zum Falcon zu tragen. Dann stellte sie ihre Möbel wieder auf, schob die Schubladen zurück, und er wischte Blut auf, sein eigenes und das von Bauer. Dann rührte er eine Gipsmischung an und füllte die Kugellöcher und Kratzer im Flur damit aus. Schließlich zog er einen Eimer weißer Farbe und eine Trittleiter ins Haus. Er kam sich gefährlich leichtsinnig vor und war todmüde.
    »Was tust du da?« fragte sie.
    »Nicht ich«, sagte Wyatt. »Du. Du wirst den Flur streichen. Nicht morgen, sondern jetzt.«
    »Jetzt?«
    »Du könntest morgen früh Besuch bekommen. Wenn sie neugierig werden, sagst du ihnen halt einfach, daß dich der Überfall so durcheinandergebracht hat, daß du erstmal renoviert hast, um dich abzulenken.«
    Anna Reids Gesicht nahm mürrische Züge an. Die waren immer noch da, als Wyatt sich mit einem Kopfnicken verabschiedete und durch die Eingangstür verschwand.
    Er fuhr den Falcon nach Hawthorn zu Finns Haus, einem hinter einer Hecke gelegenen Anwesen im Föderationsstil. Finn war da, eine brutal zusammengeschnürte Gestalt mit geschwollener Zunge auf einem Doppelbett. Wyatt wickelte Bauer aus und ließ ihn neben das Bett auf den Boden fallen. Dort legte er auch die Waffen ab. Die Bullen sollten zusehen, wie sie damit fertig wurden. Dann versteckte er Kokain- und Heroinpäckchen hinter Heizungskörpern, in Schuhkartons und zwischen Koffern in einem Wandschrank.
    Mit einer Hand steuerte er den Falcon aus der Stadt, mit der anderen hielt er sich die Wunde, den Arm dabei eng an den Körper gepreßt. Ein- oder zweimal döste er weg, doch panisches Hupen und Fernlicht brachten ihn wieder zurück in die Spur. Es fiel ihm auf, daß er manchmal sehr langsam fuhr, und an einer Ampel in Frankston klopfte ein wütender Autofahrer an seine Scheibe. Erleichtert gab er bei Hertz den Falcon ab, stieg in seinen eigenen Wagen und fuhr zurück auf die Nebenstraßen.
    Der Himmel war schwarz. Als sich das Mondlicht kurz durch die aufgehäuften Wolken kämpfte, sah er vor sich auf der Straße Nebelfetzen, die wie Menschen aussahen. Nebel hing über Stauseen und Bächen. Dennoch fühlte er, daß er allein auf der Straße war, nur er war noch wach. Er öffnete das Fenster und füllte seine Lungen mit kalter Luft. Er wagte nicht anzuhalten, er würde einschlafen und dabei riskieren, durch Klopfen an der Scheibe und Stimmen geweckt zu werden, die nachfragten, ob es ihm gut gehe, ob er getrunken habe, in einen Kampf verwickelt worden sei – Ihren Führerschein, bitte, Sir.
    Endlich auf der Küstenstraße, folgte Wyatt ihr bis Shoreham. Dort drehte er wieder in Richtung Inland und auf den Hügelschleifen fühlte er sich, als nähme er unbewohnte Höhen der Welt. Kurz darauf erfaßten die Scheinwerfer sein weißes Tor und den schmalen, schlammigen Pfad. Er wußte, daß am Morgen Nachbarn in ihren Autos zur Kirche fahren würden, und alles würde in Ordnung sein.
    Er fuhr rückwärts in die Garage und schloß die schweren Türen. Es war fast Mitternacht. Jetzt mußte er sich zu allem zwingen.
    Im Haus verbrannte er die blutbefleckte Kleidung und füllte die Badewanne mit heißem Wasser. Er wusch die Wunde aus und blieb eine Weile regungslos liegen, ließ die Wärme des Wassers seine verkrampften Muskeln lockern. Er stieg aus der Wanne, trocknete sich ab, versorgte die Wunde. Er fühlte sich leicht fiebrig und verordnete sich einen Brandy, Aspirin und etwas Antibiotikum.
    Er schlief zehn Stunden. Am Morgen war offensichtlich, daß er sich die ganze Nacht hin und her gewälzt und geschwitzt
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