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Gib's mir

Gib's mir

Titel: Gib's mir
Autoren: Kristina Lloyd
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mach dir keine Sorgen. Sobald ich wieder in einer besseren Position ihm gegenüber bin, werde ich sie zurückholen. Oder werde jemanden damit beauftragen, das zu tun.»
    Nach einer Weile und nachdem ich diese schlimmste Frage von allen lange in meinem Kopf hin und her bewegt hatte, flüsterte ich: «Und, hast du schon mal auf jemanden geschossen? Jemanden umgebracht?»
    «Nein, macht zu viel Ärger», antwortete er aus einer Rauchwolke. «Ich halte mich besser im Hintergrund. Ich meine, wenn ich jemanden umbringen wollte, würde ich eher jemanden engagieren, der das für mich erledigt. Ich persönlich würde so was nicht tun. Aber bevor du das als Nächstes fragst: Nein, ich würde Tony nicht umbringen wollen. Das wäre keine Lösung.»
    «Herrje», sagte ich, und wir verfielen wieder in Schweigen.
    Mir war immer klar gewesen, dass Ilya und ich in unterschiedlichen Welten lebten, aber ich hätte mir niemals vorstellen können, dass es dabei um solche Größenordnungen ginge. Die Größe der Kluft zwischen uns war überwältigend. Er konnte ganz ruhig darüber reden, Leute zu beauftragen, andere Leute umzubringen. Ich tötete Spinnen. Das konnte man kaum vergleichen.
    «Und wenn der nächste Auftrag durch ist», setzte ich erneut an, «wenn das alles abgewickelt ist, dann wirst du dir Tony vom Hals geschafft haben?»
    «Ja, kein Problem», meinte er leichthin. «Aber wie ich schon sagte, Tony ist ein Niemand. Er ist bloß ein verdammter Irrer, der für andere Leute Schulden eintreibt. Und im Moment kann ich die eben nicht bezahlen. Also nutzt er das aus, heizt mir ein, weil ihn das antörnt. Und ich muss das eben so lange durchstehen, bis das Geld da ist.» Mit einem resignierten Achselzucken schwieg er.
    « Wir müssen es durchstehen», korrigierte ich ihn.
    «Ja, ’tschuldigung», sagte er leise und schlug die Augen nieder.
    «Und angenommen, es geht schief?», fragte ich. «Was ist, wenn die Sache auffliegt? Wirst du dann im Gefängnis landen?»
    Ilya schüttelte den Kopf. «Ich habe einflussreiche Freunde.» Er lächelte. «Man würde mich vorher warnen. Das ist auch der Grund, warum ich Teesside verlassen habe. Da hatte der Geheimdienst angefangen herumzuschnüffeln. Und da brauchten wir eine neue Operationsbasis. Ich hatte Kontakte hier unten – Brighton, London, Southampton. Es ging gar nicht so sehr darum, den Schuldnern davonzulaufen. Meine Schulden wollte ich ohnehin noch begleichen. In diesem Spiel hinterlässt man besser lächelnde Leute. Aber die ganze Scheiße, die da oben im Norden passiert war, ließ das Geschäft immer schwieriger werden.»
    «Aber wenn die Sache schiefgeht», protestierte ich, «wirst du Tony immer noch auf den Fersen haben.»
    «Also werde ich dann irgendwo anders hingehen», erklärte er gleichgültig. «Ich werde eben so lange auf der Flucht sein, bis es vorbei ist. Aber dieses Mal würde ich keiner Menschenseele etwas davon sagen. Dann gibt’s auch niemanden, der auspacken kann.»
    Das, dachte ich, schloss mich ein. Er würde einfach gehen, und nie wieder würde ich etwas von ihm hören. Das könnte ich einfach nicht ertragen.
    «Und wenn ich mich weigere, das für Tony zu tun? Was dann?»
    «Dann würde ich mich vielleicht absetzen. Aus der Stadt weggehen. Oder bleiben und die Prügel einstecken. Mal testen, wie das Essen hier im Krankenhaus schmeckt.» Er lächelte matt. «Ich rechne dir das wirklich hoch an», fuhr er fort. «Bist du sicher, dass du es machen willst?»
    «Nein», sagte ich mit fester Stimme. «Du weißt, dass ich mir ziemlich unsicher bin. Das Ganze ist verdammt peinlich – eine Show auf die Bühne zu bringen, die wirklich Anstoß erregen könnte, auf einer Bühne aufzutreten vor einem Publikum, das ich kenne. Darüber hinaus muss ich meinen Darstellern wahrscheinlich noch das Doppelte bezahlen. Und ich kann in Brighton nicht mehr über die Straße gehen, ohne bis in die Haarwurzeln hinein zu erröten. Die ganze Sache stinkt, und ich hasse und verachte Tony dafür, dass er wirklich –»
    «Hey», unterbrach mich Ilya. «Du musst es wirklich nicht tun.»
    Das stimmte. Ich musste es nicht machen. Aber die Alternativen – Ilya würde von Tony und seinen Jungs fertiggemacht oder er würde einfach verschwinden – waren noch viel schlimmer. Im Verhältnis dazu war das, was von mir verlangt wurde, wirklich nur ein kleiner Gefallen. Und um Ilya länger hierzubehalten, war ich bereit, einige Opfer zu bringen.
    Ilya griff über den Tisch hinweg nach meinen
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