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Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter

Titel: Gib den Jungs zwei Küsse: Die letzten Wünsche einer Mutter
Autoren: St John Greene
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will dir vertrauen, dich anrufen, dich heiraten, ja sogar deine Socken waschen!«, versprach sie mir in einem anderen, den sie mit einem schicken Silberstift geschrieben hatte. Der nächste Brief, den ich auswählte, war eindeutig in einer Zeit verfasst, als wir gezwungenermaßen voneinander Abstand halten mussten. »Mein Gott, ist mir kalt. Ich hätte dich so gern hier, um mich zu wärmen«, sagte Kate. »Ich vermisse dich so sehr. Ich habe meine menschliche Wärmflasche verloren. Wir können nur hoffen, dass es nicht friert.«
    Ich stieß die Luft aus und spürte das Prickeln einer Gänsehaut auf meinen Armen. Sentimentalen Auftrieb hatte ich gesucht, stattdessen aber einen Schuss tragische Ironie bekommen.
    »Geschieht dir recht, Singe«, schalt ich mich, weil ich genau wusste, dass ich die Briefe jetzt wegstecken sollte, doch eine letzte Seite zu lesen konnte ich mir dann doch nicht verkneifen.
    »Mein Verlangen, dir Briefe zu schreiben, erstirbt ein wenig, aber mein Verlangen nach dir stirbt nicht«, hatte Kate geschrieben.
    Ich küsste die Lippenstiftküsse, die sie ans Ende neben ihren Namen gedrückt hatte, dann stellte ich, von dieser Erfahrung ein wenig traurig und betroffen gemacht, die Kiste beiseite. Ich hatte nicht damit gerechnet, das Wort »stirbt« in Kates Teenagerhandschrift zu sehen und ein unangenehmes Stechen in der Brust davonzutragen.
    Da ich schon einmal oben war, beschloss ich, mir gleich auch noch einen Überblick darüber zu verschaffen, was auf dem Dachboden alles ausgeräumt werden musste. Fast alles dort Gelagerte musste entfernt werden, um Platz für den Geheimdurchgang zu machen, der von meinem alten Büro in die Spielhöhle der Jungs führte, die hier oben entstehen sollte.
    Ich kletterte die Leiter zum Dachboden hoch und begann in den Kisten zu wühlen, die sich hier gefüllt mit Babyfläschchen und Milchpumpen, Rasseln und winziger Babykleidung stapelten. Voller Mitleid dachte ich an Kate, die all diese Sachen in der Hoffnung auf ein weiteres Baby aufbewahrt hatte. Auch ich wäre gern noch ein drittes Mal Vater geworden, wobei ich mir ein kleines Mädchen wie Kate gewünscht hätte. Das wäre so hübsch wie seine Mum und hätte auch deren ansteckendes Gegiggel. Es wäre das Tüpfelchen auf dem i gewesen. Mir war nicht bewusst gewesen, dass Kate so viel behalten hatte, und mit einem Kloß im Hals realisierte ich, dass sie die Letzte gewesen sein dürfte, die diese Dinge berührt hatte. Auf einem großen weißen Karton stand in schwungvoller Schrift »Singe und Katie!«, und ich wusste sofort, dass es sich hier nur um Souvenirs aus unserer Jugend handeln konnte. Ich zog zwei staubige Fliegerjacken heraus, die wir als Teenager getragen hatten. Wir hatten sie für eine Kostümparty präpariert und auf den Rücken jeweils in knalligem Kaugummirosa unseren Namen geschrieben. Und plötzlich sah ich uns auf einer Party in einem der Butlins-Urlaubscamps in identischen Chinohosen und Baseballkappen, wie wir vor meinen Sanitäterkollegen scherzhaft mit unseren Jacken prahlten.
    Ich genoss diese Erinnerung, aber um ehrlich zu sein, fragte ich mich auch, was um Himmels willen ich mit all dem Zeug anstellen sollte. Unter den Jacken fand ich Plattenalben und Kassetten von den Achtzigerjahrebands King, AHA und Adam and the Ants, darunter einen riesigen Stapel von Kates alten Collegearbeiten. Wo sollte ich damit bloß hin?
    Ich legte alles wieder zurück und drang in die Tiefen des Dachbodens vor. In einer der hintersten Ecken, abseits vom Gerümpel, entdeckte ich eine aufrecht stehende Schachtel, die ich sofort wiedererkannte. In dem wunderschönen cremefarbenen Werbekarton lag Kates sorgfältig verpacktes Hochzeitskleid. Ob Sie’s glauben oder nicht, aber beim Anblick dieser Schachtel fühlte ich mich sofort besser, da ich wusste, was ich damit zu tun hatte. Dieses Kleid musste ich aufheben, das stand außer Frage. Vielleicht wollten die Jungs ihre Braut darin sehen, wenn sie heirateten, oder es auch nur als Erinnerung an ihre Mum behalten. In jedem Fall konnte ich es ihnen zeigen und ihnen von unserem wunderbaren Hochzeitstag erzählen, an dem Kate so bezaubernd und beschwingt ausgesehen hatte.
    Als ich vom Dachboden herunterstieg, stand mein Entschluss fest, die Babysachen wegzuwerfen und Kates Mutter zu fragen, ob sie die alten Collegeunterlagen aufheben wollte. Ich selbst wollte um der alten Zeiten willen ein paar von unseren Teenagerandenken aufheben. Den Rest würde ich loswerden müssen,
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