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Ghost

Titel: Ghost
Autoren: Robert Harris
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Kleiderschranks und mit krankheitsbedingter Kahlköpfigkeit. Sein haarloser Schädel glänzte im Neonlicht wie ein poliertes massives Ei. Als junger Mann hatte er sich die Statur eines Ringers antrainiert, um – laut Publishers Weekly – jeden aus dem Fenster zu werfen, der zu lange seine Kopfhaut anstarrte. Ich achtete darauf, dass sich mein Blick nie über seine Superman-Brust hinauswagte. Neben ihm saß Langs Washingtoner Anwalt Sidney Kroll, ein Brillenträger in den Vierzigern mit einem zarten blassen Gesicht und schlaff herabhängendem rabenschwarzem Haar, dessen Händedruck der lascheste war, seit Dippy der Delfin plötzlich aus seinem Becken aufgetaucht war und mich als Zwölfjährigen mit dem Kopf angestupst hatte.
    »Und Rick Riccardelli kennen Sie ja«, sagte Quigley und beendete mit einem kaum wahrnehmbaren Schaudern das Vorstellungsprozedere. Mein Agent, der ein glänzendes graues Hemd mit schmaler roter Lederkrawatte trug, zwinkerte mir zu.
    »Hallo, Rick«, sagte ich.
    Ich war nervös, als ich neben ihm Platz nahm. Die Wände des Raums waren à la Gatsby mit makellos sauberen, ungelesenen Hardcover-Büchern getäfelt. Maddox saß mit dem Rücken zum Fenster. Er legte seine mächtigen, unbehaarten Hände auf die gläserne Tischplatte, als wollte er demonstrieren, dass er noch nicht die Absicht habe, eine Waffe zu ziehen. »Rick hat uns mitgeteilt, dass Sie im Bilde sind und wissen, wonach wir suchen. Vielleicht könnten Sie uns erläutern, was Ihrer Meinung nach gerade Sie zu diesem Projekt beisteuern können.«
    »Ahnungslosigkeit«, sagte ich aufgekratzt, was zumindest den Schockeffekt für sich hatte. Bevor jemand reagieren konnte, hob ich zu der kleinen Rede an, die ich mir im Taxi zurechtgelegt hatte. »Sie kennen meine früheren Arbeiten. Es hat keinen Sinn, Ihnen etwas vorspielen zu wollen, was ich nicht bin. Ich werde völlig ehrlich zu Ihnen sein. Ich lese keine politischen Memoiren. Na und?« Ich zuckte die Achseln. »Keiner liest die. Aber das ist ja auch nicht mein Problem.« Ich zeigte auf Maddox. »Das ist Ihr Problem.«
    »Bitte«, sagte Quigley leise.
    »Und wenn schon ehrlich, dann kann ich auch gleich brutal ehrlich sein«, fuhr ich fort. »Es geht das Gerücht, dass Sie zehn Millionen Dollar für das Buch bezahlt haben. So wie die Sache im Moment steht, was glauben Sie, sehen Sie davon wieder? Zwei Millionen? Drei? Das sind schlechte Nachrichten für Sie, aber besonders schlechte Nachrichten sind das für Ihren Auftraggeber«, sagte ich und schaute Kroll an. »Weil es bei ihm nicht ums Geld geht. Es geht um seinen Ruf. Das Buch ist Adam Langs Chance, sich direkt an die Geschichte zu wenden, die Chance, sein politisches Credo und seine Handlungsweise darzustellen. Das Letzte, was er brauchen kann, ist, ein Buch vorzulegen, das niemand liest. Wie würde das aussehen, wenn seine Lebensgeschichte auf den Ramschtischen landet? Aber dazu muss es ja nicht kommen.«
    Im Rückblick ist mir klar, dass ich mich wie ein Marktschreier aufführte. Aber man darf nicht vergessen, dass es sich dabei um PR-Phrasen in eigener Sache handelte. Und die sollten einem am nächsten Morgen ebenso wenig vorgehalten werden wie mitternächtliche Beteuerungen unsterblicher Liebe im Bett einer Fremden. Kroll lächelte vor sich hin und kritzelte auf einem gelben Notizblock herum. Maddox beobachtete mich scharf. Ich holte Luft.
    »Fakt ist: Ein großer Name allein verkauft noch kein Buch«, sagte ich. »Da haben wir alle schon unser Lehrgeld bezahlt. Was ein Buch verkauft – oder einen Film oder Song –, ist Herz.« Ich glaube, ich habe mir in diesem Augenblick sogar auf die linke Brusthälfte geschlagen. »Und das ist der Grund, warum die politische Biografie das schwarze Loch der Buchbranche ist. Der draußen neben dem Eingang angeschlagene Name ist vielleicht eine große Nummer, aber jeder weiß, dass er, wenn er erst einmal Eintritt bezahlt hat und drin ist, immer die gleiche alte ausgelutschte Show vorgesetzt bekommt. Und wer will dafür schon fünfundzwanzig Dollar bezahlen? Da muss Herz rein, und genau damit verdiene ich mein Geld. Und in welcher Geschichte steckt mehr Herz als in der von dem Burschen, der aus dem Nichts kommt und am Ende ein ganzes Land führt?«
    Ich beugte mich vor.
    »Und das ist der Witz: Die Autobiografie eines politischen Führers müsste doch eigentlich interessanter sein als die meisten anderen Memoiren – und nicht un interessanter. Deshalb sehe ich meine Ahnungslosigkeit, was
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