Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ghost

Titel: Ghost
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
zu. »Gehen wir.«
    Wir gingen die Whitehall hinauf und schlängelten uns durch die Menge der Frühjahrstouristen.
    »Und, sind Sie jetzt eingeladen oder nicht?«, fragte sie.
    »Nein, bin ich nicht. Eigentlich bin ich ziemlich überrascht, dass man Sie eingeladen hat.«
    »So merkwürdig ist das nun auch wieder nicht«, sagte sie und versuchte, die Unbekümmerte zu geben. »Sie hat gewonnen, oder? Sie ist die nationale Ikone. Die trauernde Witwe. Unsere ganz eigene Jackie Kennedy. Meine Anwesenheit kümmert sie nicht. Ich bin keine Bedrohung mehr, nur eine Trophäe auf der Siegerparade.« Wir gingen über die Straße. »Zu seiner Hinrichtung ist Charles I. durch das hohe Fenster da getreten«, sagte sie und deutete darauf. »Irgendwem hätte diese Assoziation doch kommen müssen, meinen Sie nicht auch?«
    »Schwacher Mitarbeiterstab«, sagte ich. »Unter Ihrer Leitung wäre das nicht passiert.«
    Als wir den Fuß über die Schwelle setzten, wusste ich, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Die Sicherheitsleute verlangten von Amelia, dass sie ihre Aktentasche öffnete. Der Metalldetektor schlug auf meine Schlüssel an, worauf ich durchsucht werden musste. So weit ist es also schon gekommen, dachte ich, während ich mit erhobenen Händen dastand und jemand meine Leistengegend befingerte, dass man nicht mal mehr zu einer Stehparty gehen kann, ohne gefilzt zu werden. In dem großen hohen Saal des Banqueting House wurden wir von dröhnendem Gesprächslärm und einer Wand aus Rücken empfangen. Ich hatte es mir zur Regel gemacht, nie die Buchpremieren für meine eigenen Werke zu besuchen. Jetzt wusste ich wieder, warum. Ein Ghostwriter ist da in etwa so willkommen wie der verleugnete Bankert des Bräutigams auf einer Society-Hochzeit. Ich kannte keine Menschenseele.
    Geschickt schnappte ich zwei Champagnerflöten von einem vorbeihuschenden Tablett und gab eine Amelia.
    »Ich kann Ruth nirgends sehen«, sagte ich.
    »Sie steckt sicher mittendrin«, sagte sie. »Auf Ihr Wohl.«
    Wir stießen an. Champagner: noch witzloser als Weißwein, wenn man mich fragt. Aber anscheinend gab es nichts anderes.
    »Das ist übrigens das fehlende Element in Ihrem Buch, meiner Meinung nach. Ruth.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Ich wollte mehr von ihr drin haben, aber sie wollte nicht.«
    »Ein Jammer.« Alkohol schien die ansonsten so vorsichtige Mrs Bly mutig zu machen. Vielleicht lag es aber auch daran, dass uns jetzt etwas verband. Schließlich waren wir beide Überlebende – Überlebende der Langs. Wie auch immer, sie beugte sich jedenfalls zu mir vor und ließ mich den Duft ihres vertrauten Parfüms riechen. »Ich habe Adam geliebt, und ich weiß, dass er mir ähnliche Gefühle entgegenbrachte. Aber ich habe mich keinen Illusionen hingegeben. Er hätte sie nie verlassen. Das hat er mir auf der letzten Fahrt zum Flughafen gesagt. Sie waren ein vollkommenes Team. Er wusste ganz genau, dass er ohne sie nichts gewesen wäre. Das hat er mir unmissverständlich gesagt. Er stand in ihrer Schuld. Sie war diejenige, die das Wesen der Macht verstand. Sie war diejenige, die damals die Kontakte zur Partei hatte. Tatsächlich war sie es, die ins Parlament hätte einziehen sollen. Nicht er. Das steht nicht in Ihrem Buch.«
    »Das habe ich nicht gewusst.«
    »Adam hat mir das mal erzählt. Das weiß kaum jemand – zumindest habe ich nie etwas darüber gelesen. Aber anscheinend war sein Sitz ursprünglich für sie vorgesehen gewesen. Erst in letzter Sekunde hat sie ihm den Vortritt gelassen.«
    Mir fiel meine Unterhaltung mit Rycart ein.
    »Der Abgeordnete aus Alabama«, murmelte ich.
    »Wer?«
    »Ein Abgeordneter im Unterhaus namens Giffen. Er war derart proamerikanisch, dass er nur der Abgeordnete aus Alabama genannt wurde.« Ein unangenehmer Gedanke ging mir durch den Kopf. »Darf ich Sie was fragen?«, sagte ich. »Bevor Adam getötet wurde – warum waren Sie so entschieden darauf bedacht, dass das Manuskript das Haus nicht verlässt?«
    »Hab ich Ihnen doch gesagt: aus Gründen der Sicherheit.«
    »Aber da war nichts in dem Manuskript, was das gerechtfertigt hätte. Ich weiß das besser als jeder andere. Ich habe jedes langweilige Wort ein Dutzend Mal gelesen.«
    Amelia schaute sich um. Wir standen immer noch am Rand der Menschenmenge. Niemand beachtete uns.
    »Unter uns«, sagte sie leise. »Nicht wir haben uns Sorgen gemacht. Anscheinend hatten die Amerikaner Bedenken. Man hat mir gesagt, dass dem MI5 bedeutet wurde, dass da irgendwas am
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher