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Ghost Street

Ghost Street

Titel: Ghost Street
Autoren: Josh Ericson
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dicht vor sich im Wasser schaukeln sah, verdoppelte sie ihre Anstrengungen, war mit ein paar kräftigen Kraulschlägen bei dem Sack und bekam ihn zu fassen. Sie packte ihn mit der rechten Hand, benutzte die andere, ummit der Strömung ans Ufer zu steuern. Mit letzter Kraft erreichte sie einen leeren Anlegeplatz an der Hafenmauer, von dem eine steile Treppe zu einem verlassenen Lagerhaus hinaufführte. Sie zog sich an einem Eisenring aus dem Wasser und wuchtete den Sack auf die unteren Stufen der Betontreppe.
    Triefend vor Nässe und keuchend vor Anstrengung blieb sie einen Augenblick liegen. In dem Sack war kein Leben mehr, nicht mal ein verzweifeltes Seufzen drang nach draußen. Sie löste mit klammen Fingern den Knoten des Stricks, mit dem der Unbekannte den Sack verschnürt hatte, und zog den Stoff auseinander. Der Gestank von Moder, faulen Fischen und gebrauchtem Öl schlug ihr entgegen. Obwohl sie ahnte, was sie erwartete, musste sie sich beinahe übergeben, als sie den Inhalt erblickte. Die leeren Augen einer toten Frau starrten sie an.

3
    Auch während der letzten Nacht hatten die Detectives Jennifer McAvoy und Nick Harmon kein Auge zugetan. Sie hatten Reginald »Reggie« Sharer, einen registrierten Sexualstraftäter, bis in einen Klub an der River Street verfolgt, dort beobachtet, wie er eine junge Frau angebaggert hatte und enttäuscht nach Hause zurückgekehrt war, als ein kräftiger Matrose erschienen war und sie mitgenommen hatte.
    Den Rest der Nacht hatten sie gegenüber von dem Mietshaus geparkt, in dem Reggie wohnte, und darauf gewartet, dass er seine Wohnung noch einmal verließ. Sie beschatteten ihn schon seit ein paar Tagen. Reggie Sharer hatte vor einigen Jahren eine junge Frau vergewaltigt und war vor zwei Wochen wegen guter Führung und nach einer Anhörung durch die Berufungskommission aus dem Gefängnis entlassen worden. Gerade einmal drei Tage später war nur einen Block von seiner neuen Wohnung entfernt eine junge Frau von einem Mann bedrängt worden. Nur weil zufällig ein Streifenwagen vorbeigekommen war, hatte sich der Bursche aus dem Staub gemacht. Die Frau hatte das Gesicht des Täters nicht erkennen können, doch es sprach einiges dafür, dass Sharer der Gesuchte war.
    Um ihn ins Gefängnis zurückschicken zu können, mussten sie ihn jedoch auf frischer Tat erwischen. In dem Klub an der River Street wäre es beinahe so weit gewesen, aber bloßes Anbaggern reichte nicht. Er musste die Frauen belästigen, sie gegen ihren Willen berühren. Das Kunststück bestand darin, ihn zu schnappen, bevor er seinem Opfer etwas antun konnte.
    Die andere Aufgabe der Detectives war es, Sharer vor den Angriffen einer übereifrigen Bürgerwehr zu bewahren, die sich nach seiner Entlassung formiert hatte, um unschuldige Frauen vor dem Sexualstraftäter zu schützen. Obwohl Jenn, wie Jennifer im Revier genannt wurde, dieser Teil ihrer Aufgabe nicht sonderlich zusagte. »Meinetwegen sollen sie ihm die Eier abschneiden«, hatte sie gesagt. Einer ihrer derben Sprüche, die sie aus Chicago mitgebracht hatte. Von dort war sie letztes Jahr nach Savannah gekommen. Weil sie einen lästigen Lover loswerden wollte und das eisige Winterwetter satthatte, sagte man. Einige vermuteten, dass sie Chicago aus einem anderen Grund verlassen hatte.
    »Wenn’s nach mir ginge, würde man solche Dreckskerle für immer wegsperren«, sagte Jenn, als sie in die Montgomery Street abbogen. Der südlich der Interstate gelegene Teil der Straße gehörte nicht gerade zu den bevorzugten Vierteln der Stadt. »Die kosten doch nur unnütze Steuergelder. Ab in den Knast oder die Klapsmühle, dann hätten wir Ruhe. Aber nein, wir müssen uns wegen eines solchen Kerls die ganze Nacht um die Ohren schlagen. Ekelhaft!«
    Wer Jenn zum ersten Mal traf und ihre Kraftausdrücke hörte, war meist überrascht. Sie war keines dieser Flintenweiber, die in der Gesellschaft harter Männer das Benehmen und die Ausdrucksweise ihrer Kollegen annahmen. Jenn wirkte eher unschuldig und mädchenhaft, trug ihre Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und hätte in ihrer Jeans und dem dunkelblauen Sweatshirt fast als College-Girl durchgehen können. Tatsächlich war sie aber um die dreißig, trug kaum Make-up und lachte oft. Eine umgängliche Frau, wenn man mit ihr befreundet war, aber knallhart und unerbittlich gegen Männer, die sich gewalttätig gegenüber Frauen benahmen.
    Im Gegensatz zu Nick Harmon, der geistig bereits zuHause bei seiner Frau und den Zwillingen
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