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Ghost Street

Ghost Street

Titel: Ghost Street
Autoren: Josh Ericson
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das man ersäufte, versank die Frau in den Fluten.
    Wie lange würde sie durchhalten? Eine Minute? Drei oder vier? Oder würde sie in die Schraube eines Frachters geraten und einen grausamen, aber schnellen Tod sterben? Der Killer ging achselzuckend zu seinem Wagen zurück, schloss den Kofferraumdeckel und die Motorhaube und setzte sich hinters Steuer. Darüber würde er morgen oder übermorgen in der Zeitung lesen. Er schaltete die Warnblinker aus und fuhr weiter. »Und dies war nur der Anfang«, flüsterte er.

2
    Alessa Fontana hatte allen Grund, sich miserabel zu fühlen. Mitten in der Nacht hatte sie ihren Freund vor die Tür gesetzt, und diesmal für immer, ihr Kater hatte irgendwo im Abfall gewühlt, etwas Falsches gefressen und kotzte ihr die Küche voll, und der Fall, den sie gerade bearbeitete, bereitete ihr solche Kopfschmerzen, dass sie sogar davon träumte. Ein Ehemann, der seine Frau so heftig verprügelt hatte, dass sie mit einem gebrochenen Arm und einer zersplitterten Nase im Krankenhaus lag. Der Mistkerl hatte sie geschlagen und eine Treppe hinuntergestoßen. Das Schlimme war, dass sie sich entschlossen hatte, keine Anzeige zu erstatten, darum gab es keine Handhabe mehr, um den Mann zu verhaften und vor Gericht zu stellen.
    Beim Joggen versuchte Alessa, den ganzen Stress zu vergessen. Sie war keine dieser begeisterten Sportlerinnen, die jeden Morgen mit dem ersten Hahnenkrähen aufstanden, sich in modische Klamotten und sündhaft teure Laufschuhe zwängten und sich an der frischen Luft ihre Glückshormone abholten. Um ehrlich zu sein, wartete Alessa noch immer darauf, dass sich diese Endorphine, oder wie die Dinger hießen, bei ihr meldeten. Aber beim Laufen konnte sie Druck abbauen und den ganzen Gerichtskram vergessen. Für die Glückshormone würde die heiße Schokolade sorgen, die bei Starbucks auf sie wartete. Ohne Sahne, wegen der Figur. Der Göttertrank hielt bis zum Lunch vor, falls sie überhaupt Zeit für eine Mittagspause fand.
    Alessa war Staatsanwältin im Büro des Bezirksstaatsanwalts von Chatham County, zu dem auch Savannah gehörte.Eine erfolgreiche junge Frau, die ihren Wunschposten gleich nach dem Studium bekommen und bereits während ihrer ersten Prozesse auf sich aufmerksam gemacht hatte. Ihr einziger Fehler war, so behaupteten manche Kollegen hinter vorgehaltener Hand, dass sie manche Fälle noch persönlich nahm und zu emotional wurde. Sie war schlank und sehr hübsch, so jedenfalls die Meinung ihrer männlichen Kollegen, obwohl sie stets in eher langweiligen Businesskostümen herumlief, wie es die Richter am liebsten sahen, und ihre dunklen Haare zu einem Knoten gebunden trug. Ihre hervorstehenden Wangenknochen und ihre dunklen Augen gaben ihr ein exotisches Aussehen und gingen auf ihre indianische Großmutter zurück, eine Cherokee, wie ihre Mutter behauptete.
    So früh wie an diesem Tag war Alessa noch nie am Flussufer entlanggelaufen. Michaels Schuld. Fünf Monate war sie mit dem attraktiven Anwalt zusammen gewesen, hatte mit ihm die wenigen freien Stunden genossen, die ihnen ihr Job ließ, und sich so gut mit ihm verstanden, dass ihre Eltern schon die Hochzeitsglocken hatten läuten hören. Ein Irrglaube, wie sich bald herausstellte, spätestens als sie gemerkt hatte, dass alles nach seinen Vorstellungen verlaufen sollte. Der Tagesablauf, die Wochenenden, alles sollte so sein, wie er es sich vorstellte, nicht mal eines ihrer Bilder duldete er in seiner Wohnung. Endgültig zum großen Krach war es gekommen, als er ihr vorgeschlagen hatte, ihren Job aufzugeben und künftig nur noch Hausfrau zu spielen. »Ich verdiene doch genug für uns beide, Schätzchen«, hatte er vor genau sechs Stunden gesagt, und nur eine Minute später hatte sie ihn hinausgeworfen … auf Nimmerwiedersehen.
    Natürlich hatte sich die Trennung schon früher abgezeichnet. Sie waren nicht das Traumpaar, für das sie jederhielt, nur weil sie beide attraktiv waren. Sie hatten Spaß miteinander, verstanden sich im Bett und standen beruflich auf verschiedenen Seiten, was ihrer Beziehung eine gewisse Würze verlieh, aber sonst hatten sie wenig gemeinsam. Dennoch schmerzte Alessa die Trennung. Immerhin waren sie miteinander vertraut gewesen, und er hatte irgendwie zu ihrem Leben gehört. Schwamm drüber. Sie würde darüber hinwegkommen, so wie sie auch über den Jungen vom College hinweggekommen war.
    Unter der Brücke verlangsamte Alessa ihre Schritte. Der Nebel, der an diesem Morgen über dem Fluss hing,
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