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Gezinkt

Gezinkt

Titel: Gezinkt
Autoren: Jeffery Deaver
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sollen sich beeilen«, befahl er und wandte sich wieder dem Geistlichen zu, der mit seinen Erklärungen fortfuhr.
    »Ich habe mich also gefragt, wie Gier heutzutage aussieht. Und kam zu der Antwort, dass sie uns in Gestalt von Enron und Tyco, von Vorstandschefs und Internet-Mogulen begegnet... Und von Cahill Industries.«
    Silverman nickte langsam.
    Robert Cahill war der Kopf eines riesigen Agrarwirtschaftskomplexes gewesen. Nachdem er diese Firma verkauft hatte, hatte er sich dem Immobiliengewerbe zugewandt und Dutzende von Gebäuden im Bezirk errichtet. Soeben war der Mann wegen Steuerhinterziehung und Insiderhandels angeklagt worden.
    »Erfolgreicher Farmer«, überlegte Silverman. »Erzielt enorme Gewinne und gerät in Schwierigkeiten. Klar. Genau wie in dem Gleichnis.«
    »Es kommt noch besser«, sagte der Priester aufgeregt. »Vor ein paar Wochen stand in der Zeitung ein Leitartikel über Cahill – ich habe danach gesucht, ihn aber nicht gefunden. Ich glaube, der Verfasser hat ein paar Bibelstellen über Gier zitiert. Ich kann mich nicht mehr erinnern, welche, aber ich wette, Lukas 12:15 war dabei.«
    Von der Rampe der Aufnahme aus beobachtete Silverman, wie der Wagen mit Randy Pease eintraf. Der Detective und der Wärter hielten sorgfältig nach Anzeichen für Gefahr Ausschau, während das gepanzerte Fahrzeug rückwärts rangierte. Alles schien in Ordnung zu sein. Der Detective klopfte an die Hecktür, und der Zeuge und sein Leibwächter eilten auf die Laderampe. Der Wagen fuhr fort.
    Pease fing sofort an, sich zu beschweren. Er hatte bei dem Angriff auf das sichere Haus eine kleine Schnittwunde auf der Stirn und eine Prellung an der Wange davongetragen, aber er stöhnte, als wäre er eine zweistöckige Treppe hinuntergefallen. »Ich brauche einen Arzt. Sehen Sie sich diesen Schnitt an. Er ist bereits entzündet, ich spüre es. Und meine Schulter bringt mich um. Was muss man eigentlich noch tun, damit man hier anständig behandelt wird?«
    Polizisten entwickeln viel Geschick darin, schwierige Verdächtige und Zeugen zu ignorieren, und Silverman bekam kaum etwas von dem Gejammer des Mannes mit.
    »Cahill«, wandte er sich wieder an den Priester. »Und was, glauben Sie, bedeutet das für uns?«
    »Cahill besitzt überall in der Stadt Hochhäuser. Ich habe mich gefragt, ob die Route, auf der Sie Ihren Zeugen zum Gericht fahren wollen, an welchen vorbeiführt.«
    »Schon möglich.«
    »Dann könnte also ein Scharfschütze auf einem von ihnen sitzen.« Der Reverend lächelte. »Darauf bin ich eigentlich nicht allein gekommen. Ich hab es einmal im Fernsehen gesehen.«
    Silverman lief es kalt über den Rücken.
    Ein Scharfschütze?
    Er hob den Blick. Hundert Meter entfernt stand ein Hochhaus, von dessen Dach ein Scharfschütze freie Schussbahn auf die Laderampe hatte, wo Silverman, der Priester, Pease und die beiden Wächter im Augenblick standen. Es konnte durchaus ein Cahill-Gebäude sein.
    »Nach drinnen!«, rief er. »Sofort.«
    Alle eilten in den Korridor, der zur Arrestzelle führte, und Peases Babysitter schlug die Tür hinter ihnen zu. Mit klopfendem Herzen, weil sie möglicherweise nur knapp davongekommen waren, griff Silverman zu einem Telefon auf dem Schreibtisch und rief den Captain an. Er erzählte ihm die Theorie des Reverends. »Ich verstehe«, sagte der Captain. »Sie ballern auf das sichere Haus, um Pease aufzuscheuchen, und setzen einen Scharfschützen auf das Hochhaus, weil sie sich ausrechnen, dass wir ihn hierher bringen. Ich schicke ein Einsatzkommando rüber, damit es das Gebäude durchkämmt. Ach ja, und bringen Sie diesen Priester vorbei, wenn Sie Pease sicher verwahrt haben. Egal ob er Recht hat oder nicht, ich will ihm danken.«
    »Wird gemacht.« Silverman war leicht gekränkt, weil seinem Vorgesetzten diese Idee besser zu gefallen schien als die Anagramme, aber er akzeptierte jede Theorie, solange sie Pease am Leben erhielt.
    Während sie in dem schlecht beleuchteten Korridor warteten, bis die Zelle geleert war, begann sich der dürre Pease mit seinem strähnigen Haar wieder zu beschweren. »Soll das heißen, da draußen war ein Scharfschütze und ihr Penner habt nichts von ihm gewusst, verflucht noch mal? Oh … entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise, Hochwürden. Hört zu, ihr Arschlöcher, ich bin kein Verdächtiger, ich bin der Star in diesem Stück, ohne mich...«
    »Halten Sie endlich den Mund«, fuhr ihn Silverman an.
    »Sie können nicht mit mir reden, als ob...«
    Silvermans
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