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Gezinkt

Gezinkt

Titel: Gezinkt
Autoren: Jeffery Deaver
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dass ein Profikiller angeheuert wurde, um unseren Zeugen vor dem Prozess nächste Woche zu töten.«
    »Du meine Güte.« Der Reverend runzelte die Stirn und rieb sich den Hals unter dem steifen, weißen Priesterkragen, der zu scheuern schien.
    »Aber die Verbrecher enttarnten unseren Verbindungsmann und ließen ihn umbringen, ehe er uns Einzelheiten über die Identität des Killers und darüber, wie er meinen Zeugen zu töten beabsichtigte, verraten konnte.«
    »Ach, das tut mir sehr leid«, sagte der Reverend teilnahmsvoll. »Ich werde für den Mann beten.«
    Silverman brummte einen blutleeren Dank, aber in Wirklichkeit dachte er, dass der miese kleine Schnüffler verdientermaßen zur Hölle fuhr – nicht nur, weil er ein hoffnungsloser Versager und Süchtiger war, sondern auch dafür, dass er gestorben war, ehe er dem Detective Einzelheiten über den möglichen Anschlag auf Pease nennen konnte. Detective Mike Silverman teilte dem Priester nicht mit, dass er in letzter Zeit selbst Ärger in seinem Job hatte und nach »Sibirien« – zur Zeugenbewachung – verbannt worden war, weil er seit geraumer Zeit keinen größeren Fall mehr zum Abschluss gebracht hatte. Dieser Auftrag musste reibungslos über die Bühne gehen, und er konnte es sich auf keinen Fall leisten, dass Pease getötet würde.
    »Hier kommen Sie ins Spiel, wie ich hoffe«, fuhr der Detective fort. »Als der Informant erstochen wurde, starb er nicht sofort. Es gelang ihm noch, eine Nachricht zu schreiben – über eine Bibelpassage. Wir halten es für einen Hinweis darauf, wie der Auftragsmörder unseren Zeugen zu töten beabsichtigt. Aber es ist wie ein Rätsel, wir können es nicht lösen.«
    Das Interesse des Reverend schien geweckt. »Etwas aus dem Neuen Testament, sagten Sie?«
    »Ja«, antwortete Silverman. Er öffnete sein Notizbuch. »Die Nachricht lautete: ›Er ist auf dem Weg. Passt auf.‹ Dann schrieb er einen Vers und ein Kapitel aus der Bibel hin. Wir glauben, dass er noch mehr schreiben wollte, aber es nicht mehr konnte. Er war Katholik, wir nehmen also an, dass er sich ganz gut in der Bibel auskannte – und um eine Besonderheit dieser Stelle wusste, die uns verraten sollte, auf welche Weise der Killer sich an unseren Zeugen heranmachen würde.«
    Der Reverend drehte sich um und hielt nach einer Bibel auf seinem Regal Ausschau. Schließlich entdeckte er eine und schlug sie auf. »Welcher Vers?«
    »Lukas zwölf, fünfzehn.«
    Der Geistliche fand die Stelle und las. »›Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er Güter im Überfluss hat.‹«
    »Mein Partner hat eine Bibel von zu Hause mitgebracht. Er ist Christ, aber er ist nicht wirklich religiös, keiner, der mit der Bibel unterm Arm herumläuft... äh,’tschuldigung, ich wollte Sie nicht beleidigen.«
    »Das haben Sie nicht. Wir sind Presbyterianer, bei uns klemmt sie auch nicht unter dem Arm.«
    Silverman lächelte. »Mein Partner hatte keine Ahnung, was das bedeuten könnte. Mir fiel Ihre Kirche ein, sie ist die nächstgelegene vom Revier, und ich dachte, ich schau mal vorbei und frage, ob Sie uns helfen können. Sehen Sie irgendetwas in dieser Stelle, aus dem sich schließen ließe, wie der Angeklagte unseren Zeugen vielleicht töten lassen will?«
    Der Reverend las noch ein wenig in den hauchdünnen Seiten. »Es ist ein Abschnitt aus den Evangelien, in denen verschiedene Jünger die Geschichte Jesu erzählen. Im zwölften Kapitel des Lukasevangeliums warnt Jesus die Menschen vor den Pharisäern und drängt sie, nicht sündig zu leben.«
    »Wer genau waren die Pharisäer?«
    »Sie waren eine religiöse Sekte. Im Wesentlichen glaubten sie, dass Gott existiert, um ihnen zu dienen, nicht andersherum. Sie hielten sich für besser als alle anderen und erhoben sich über die Menschen. So hieß es zu ihrer Zeit jedenfalls – man weiß natürlich nie, ob es stimmt. Damals wurde schon genauso viel politisch verdreht wie heute.« Reverend Lansing wollte die Schreibtischlampe einschalten, aber sie funktionierte nicht. Er fummelte an den Vorhängen herum, öffnete sie schließlich und ließ mehr Licht in das düstere Büro. Er las die Passage noch einige Male, kniff vor Konzentration die Augen zusammen, nickte. Silverman schaute sich in dem trüben Raum um. Bücher hauptsächlich. Es sah mehr nach dem Arbeitszimmer eines Professors als nach einem Kirchenbüro aus. Keine Bilder oder persönlichen Gegenstände. Man sollte meinen,
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