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Gezeiten der Liebe

Gezeiten der Liebe

Titel: Gezeiten der Liebe
Autoren: N Roberts
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mein Vater war. Irgendein Freier wahrscheinlich, mit dem sie Pech hatte. Sie hat mich nicht abgetrieben, weil sie bereits drei Abtreibungen hinter sich hatte und es zu riskant fand. Das hat sie mir gesagt.«
    »Wie grausam von ihr.«
    »Himmel, Herrgott.« Unfähig, länger stillzusitzen, sprang er auf und kletterte auf den Steg, um dort auf und ab zu gehen.
    Grace folgte ihm langsam. In einem Punkt hatte er recht, dachte sie. Sie kannte diesen Mann nicht, diesen Mann mit den schnellen, abrupten Bewegungen, der die Fäuste ballte, als wolle er auf jeden einschlagen, der seinen Weg kreuzte.
    Daher hielt sie sich von ihm fern.
    »Sie war ein Ungeheuer. Ein gefühlloses Ungeheuer. Sie schlug mich nur so zum Spaß halbtot, wann immer sie einen Grund zu haben glaubte.«

    »Oh, Ethan.« Nicht imstande, sich zurückzuhalten, streckte sie die Hand nach ihm aus.
    »Faß mich nicht an.« Er wußte nicht, was er tun würde, wenn sie sich ihm jetzt näherte. Und das machte ihm angst. »Faß mich jetzt nicht an«, wiederholte er.
    Sie ließ die Arme sinken und kämpfte mit den Tränen.
    »Einmal mußte sie mich ins Krankenhaus bringen«, fuhr er fort. »Ich schätze, sie hatte Angst, daß ich ihr wegsterben würde. Damals zogen wir vonWashington nach Baltimore. Der Arzt hatte zu viele Fragen gestellt. Er wollte genau wissen, wie ich die Treppe hinuntergefallen wäre und mir die Gehirnerschütterung und die gebrochenen Rippen eingehandelt hätte. Ich habe mich immer gefragt, warum sie mich nicht einfach dort zurückließ. Aber sie bezog meinetwegen Stütze, und außerdem hatte sie so einen lebenden Sandsack, und das war wohl Grund genug. Bis ich acht Jahre alt war.«
    Er blieb stocksteif stehen, das Gesicht ihr zugewandt. In ihm war soviel rasende Wut angestaut, daß er zu spüren vermeinte, wie sie seine Haut versengte. Ihr bitterer Geschmack brannte ihm in der Kehle. »Da überlegte sie sich, daß ich allmählich selbst für meinen Unterhalt aufkommen könnte. Sie war erfahren genug, um zu wissen, wohin sie gehen mußte, um Männer zu finden, denen nichts an Frauen lag. Männer, die für Kinder gutes Geld bezahlen würden.«
    Sie konnte nicht sprechen, obwohl sie eine Hand auf ihren Hals legte, wie um die Worte, nur ein Wort herauszupressen. Sie konnte nur dastehen, leichenblaß im Licht des aufgehenden Mondes, mit riesigen, ängstlichen Augen.
    »Beim erstenmal kämpfst du noch. Du kämpfst wie um dein Leben, und ein Teil von dir kann nicht glauben, daß es wirklich passiert. Es kann einfach nicht sein. Es spielt keine Rolle, daß du weißt, was Sex ist, weil du ja das ganze Leben mit seiner häßlichen Seite zu tun hattest.Was das ist, weißt
du nicht, du kannst nicht glauben, daß so etwas möglich ist. Bis es dann passiert. Bis du nicht verhindern kannst, daß es passiert.«
    »Oh, Ethan. O Gott. O Gott.« Sie begann zu weinen, um ihn, um den kleinen Jungen, um eine Welt, in der es solch entsetzliche Dinge gab.
    »Sie nahm zwanzig Dollar ein, mir gab sie zwei davon. Und machte einen Strichjungen aus mir.
    »Nein«, sagte Grace hilflos schluchzend. »Nein.«
    »Ich verbrannte das Geld, aber das änderte nichts daran. Sie ließ mir zwei Wochen Zeit, dann verkaufte sie mich wieder. Man kämpft auch beim zweitenmal. Sogar noch erbitterter als beim erstenmal, weil man jetzt Bescheid weiß, und weil man es glauben muß. Und dann kämpft man jedesmal, immer wieder gegen denselben Alptraum, bis man einfach aufgibt. Du nimmst das Geld und versteckst es, weil du eines Tages genug haben wirst. Dann kannst du sie töten und entkommen. Und Gott weiß, daß man sie noch viel lieber töten als entkommen möchte.«
    Sie schloß die Augen. »Hast du es getan?«
    Er hörte ihre rauhe Stimme und vermutete dahinter Widerwille statt den gerechten Zorn, den sie empfand. Vermischt mit der Hoffnung, daß er es getan hatte. Oh, hätte er sie nur getötet!
    »Nein. Nach einer Weile wird es zu deinem normalen Leben. Das ist alles. Nicht mehr, nicht weniger. Du lebst es einfach.«
    Jetzt wandte er sich ab, um auf das Haus zu schauen, wo Licht aus den Fenstern schien. Von wo Musik – Cam auf seiner Gitarre – vom Wind zu ihnen getragen wurde, eine hübsche, einschmeichelnde Melodie.
    »So lebte ich, bis ich zwölf war und einer der Männer, an die sie mich verkaufte, ausrastete. Er schlug mich ziemlich brutal, was allerdings nicht ungewöhnlich war. Aber dann stolperte ich über irgend etwas und fiel, und er ging
statt dessen auf sie los. Sie
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