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Gezeiten der Liebe

Gezeiten der Liebe

Titel: Gezeiten der Liebe
Autoren: N Roberts
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und zittrig herabhängen lassen sollte wie eine alte Frau. »Dann hast du also gelogen, als du sagtest, daß du mich liebst?«
    Vielleicht wäre es gnädiger, ihre Frage zu bejahen, dachte er, dann schüttelte er den Kopf. Nein, es wäre nur feige. Sie hatte dieWahrheit verdient. Die ganzeWahrheit. »Ich habe nicht gelogen. Ich liebe dich wirklich.«
    Es gab verschiedene Grade der Liebe. So dumm, das nicht zu wissen, war sie nicht. »Aber nicht so, wie du die Frau lieben willst, die du heiratest.«
    »Ich könnte keiner Frau mehr Liebe entgegenbringen als dir. Aber ich bin . . .«
    Sie hob die Hand. Ihr war gerade etwas eingefallen. Wenn dies der Grund für seine Zurückweisung war, dann würde sie ihm das niemals verzeihen können. »Ist es wegen Aubrey? Weil ich ein Kind von einem anderen Mann habe?«
    Er bewegte sich so schnell, daß es sie überrumpelte, als er plötzlich nach ihrer Hand griff und sie fest drückte. »Ich liebe sie, Grace. Ich wäre stolz, wenn sie mich als ihren Vater betrachten würde. Das mußt du doch wissen.«
    »Ich muß gar nichts wissen. Du sagst, du liebst mich, und du liebst sie, und trotzdem willst du uns nicht. Das tut weh, Ethan.«
    »Verzeih mir. Verzeih mir.« Er ließ ihre Hand los, als habe sie ihn verbrannt. »Ich weiß, daß ich dir weh tue. Ich wußte, daß es so kommen würde. Ich hatte kein Recht, es soweit kommen zu lassen.«
    »Aber du hast es getan«, sagte sie ruhig. »Du mußtest wissen, daß ich so empfinden würde, daß ich erwarten würde, daß du dasselbe empfindet.«
    »Ja, ich wußte es. Ich hätte offen und aufrichtig zu dir sein müssen. Es gibt keine Entschuldigung für mein Verhalten.« Außer, daß ich dich brauchte. Ich brauchte dich, Grace. »Für die Ehe bin ich einfach nicht geschaffen.«

    »Oh, bitte behandle mich nicht, als wäre ich dumm, Ethan.« Sie seufzte, zu erschüttert, um wütend zu sein. »Menschen wie wir haben keine Beziehungen, keine Affären. Wir heiraten und gründen eine Familie. Wir sind unkompliziert, gradlinig, und so amüsant das andere auch finden mögen, so sind wir nun mal.«
    Er starrte auf seine Hände. Sie hatte natürlich recht, oder hätte recht gehabt. Aber sie wußte eben nicht, daß er alles andere als unkompliziert war. »Es liegt nicht an dir, Grace.«
    »Nein?« Kummer und Demütigung kämpften in ihr. Sie dachte sich, daß Jack Casey wohl das gleiche zu ihr gesagt hätte, wäre es ihm nicht zu mühsam gewesen, etwas zu sagen, bevor er ging. »Wenn es nicht an mir liegt, an wem dann? Ich bin die einzige hier.«
    »Es liegt an mir. Ich kann wegen meiner Herkunft keine Familie gründen.«
    »Wegen deiner Herkunft? Du kommst aus St. Christopher’s im Südosten Marylands. Du stammst von Raymond und Stella Quinn ab.«
    »Nein.« Er hob den Blick. »Ich komme aus den Slums von Washington und Baltimore und so vieler anderer Städte, daß ich sie nicht mehr zählen kann. Ich stamme von einer Hure ab, die für eine Flasche Alkohol oder einen Schuß ihren Körper verkaufte – und auch den meinen. Du weißt nicht, wo ich herkomme. Oder was ich gewesen bin.«
    »Ich weiß, daß du furchtbare Dinge erlebt hast, Ethan.« Sie sprach jetzt sanft, um den tiefen Schmerz zu lindern, der aus seinen Augen sprach. »Ich weiß, daß deine Mutter – deine biologische Mutter eine Prostituierte war.«
    »Sie war eine Hure«, verbesserte Ethan. »›Prostituierte‹ ist ein zu harmlosesWort.«
    »Na gut.« Sie nickte vorsichtig. Aus seinem Blick sprach jetzt auch Zorn, ebenso heftig und bitter wie der Schmerz.

    »Du hast durchlitten, was kein Kind je erleben sollte, bevor du hierherkamst. Bevor die Quinns dir Hoffnung, Liebe und ein Heim gaben. Und du bist ihr Sohn geworden. Du bist zu Ethan Quinn geworden.«
    »Sein Blut kann man nicht auswechseln.«
    »Ich verstehe nicht, was du meinst.«
    »Wie solltest du auch?« fuhr er sie aufgebracht, mit scharfer Stimme an. Woher sollte sie? dachte er rasend vor Wut. Sie war bei ihren Eltern aufgewachsen, hatte ihre Großeltern gekannt, hatte sich nie die Frage stellen zu müssen, was sie ihr vererbt, was sie von ihnen mitbekommen hatte.
    Aber wenn er erst fertig war, würde sie es verstehen, o ja. Und das wäre das Ende. »Sie war groß, stark. Ich habe ihre Hände. Ihre Füße, die langen Arme.«
    Er schaute auf diese Arme, auf diese Hände, die sich zu Fäusten geballt hatten, ohne daß er es merkte. »Ich weiß nicht, woher der Rest kommt, weil sie vermutlich ebensowenig wie ich wußte, wer
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