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Gewitterstille

Gewitterstille

Titel: Gewitterstille
Autoren: Sandra Gladow
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sanft streichelte er über ihre Stirn und ihre Arme, hauchte ihr ihren Namen ins Ohr, doch sie reagierte nicht.
    »Ich bin wieder frei und habe mit einem Anwalt gesprochen«, begann er zu erzählen. »Er sagt, dass ich Glück habe, weil ich erst einundzwanzig bin. Er sagt, dass man mich nach Jugendrecht verurteilen wird.«
    Er rückte etwas näher an Sophies Bett heran.
    »Ich werde wohl nicht ins Gefängnis müssen, Sophie. Ist das nicht toll? Vielleicht bekomme ich eine Jugendstrafe mit Bewährung. Ich werde auch eine Therapie machen wegen der Spielsucht. Ich will versuchen, alles zu ändern, Sophie. Es wird wahrscheinlich noch einmal einen ganz schönen Presserummel geben. Ich habe eine Scheißangst davor.«
    Jens Asmus schwieg eine Weile und ließ seinen Kopf in seine Hände fallen. »Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll, dass du die ganze Zeit an mich geglaubt hast, weißt du. Du bist der erste Mensch, der wirklich zu mir gehalten hat. Es tut mir so leid, dass ich dich in diese ganze Sache mit reingezogen habe. Bitte stirb jetzt nicht, Sophie.« Dann begann er bitterlich zu weinen.

57. Kapitel
    S ophie schlug die Augen auf. Sie brauchte einen Moment, um zu realisieren, dass sie in einem Krankenbett lag. Beate lächelte sie an, und Sophie empfand ein unendliches Glücksgefühl, ihre Mutter neben sich zu wissen. Also hatte sie nicht geträumt, als sie vor wenigen Stunden das erste Mal zu sich gekommen war und Beate neben ihr gesessen hatte. Noch gelang es ihr nicht recht, ihre Gedanken zu ordnen. Die Tage seit ihrer Rückkehr aus Frankreich schienen aus ihrem Gedächtnis ausgelöscht worden zu sein. Sophie fühlte sich, als würde sie die Welt durch einen dichten Schleier wahrnehmen.
    »Habe ich lange geschlafen?«
    Sie hatte Mühe zu sprechen, denn ihre Kehle war von dem inzwischen entfernten Tubus ganz wund.
    »Eine Zeit lang«, flüsterte Beate und griff nach einem Trinkbecher, als hätte sie erraten, wie trocken Sophies Kehle sich anfühlte. Sophie ließ es zu, dass Beate ihren Kopf stützte, während sie mühsam ein paar Schlucke Wasser trank. Noch immer drehte sich alles in ihrem Kopf, und selbst die kleinste Bewegung strengte sie an und schmerzte.
    Erschöpft ließ sie sich wieder zurück auf das Kissen sinken.
    »Wie spät ist es?«
    »Fast drei Uhr nachts.«
    »Warum bin ich hier?«
    Beate schien einen Moment zu zögern, bevor sie antwortete.
    »Du hast eine schwere Kopfverletzung erlitten und leidest im Moment an einer partiellen Amnesie. Das alles ist aber jetzt ganz unwichtig. Wichtig ist, dass du dich ausruhst und erholst und schnell wieder gesund wirst.«
    »Mama?«
    »Ja?«
    Sophie schluckte, denn sie hatte Beate das erste Mal, seit sie vier Jahre alt war, wieder so genannt. »Ich bin froh, dass du da bist.«
    Beate stiegen die Tränen in die Augen, und sie küsste Sophies Hand.
    »Glaub mir, mein Kleines, ich bin auch froh, hier zu sein, und ich werde ab jetzt immer für dich da sein, wann immer du mich brauchst.«
    Beide umarmten einander innig und mussten kurz darauf lachen, als Beate vernehmlich in ein Taschentuch schnäuzte.
    Es kostete Sophie Mühe zu sprechen, aber sie hatte das Bedürfnis, so vieles zu sagen.
    »Ich … Jens … Ich habe alles falsch gemacht, ich …«
    »Dein Freund war hier, Sophie. Er hat an deinem Bett gesessen.«
    »Wieso hier?« Sophie war ganz verwirrt. »Er ist doch im Gefängnis, er …«
    »Man hat den Mordverdacht gegen ihn fallen lassen, Sophie.«
    In Sophies Kopf schwirrte alles durcheinander, und ihr wurde schwindelig. Gleichzeitig spürte sie, wie groß ihre Erschöpfung war und dass sie gegen ihren Willen wieder einzuschlafen drohte.
    »Ich versteh nicht – ich bin so müde.«
    »Es wird alles gut, Sophie. Ich glaube, dass ihm wirklich an dir liegt. Er hat sich hier reingeschlichen, und ich muss gestehen, dass ich ihn belauscht habe. Er hat sehr große Fehler gemacht, Sophie, aber ich glaube, er liebt dich.«
    »Mama.«
    »Ja.«
    »Ich weiß nicht, warum, aber ich habe geträumt, dass ich in Frau Möbius’ Haus bin und vor ihrem Sessel stehe … Er hat sie bestohlen, und er wollte, dass ich dich bestehle … Ich weiß nicht, ob ich zu ihm zurückkann und … Ich bin so müde.«
    »Du hast alle Zeit der Welt, Sophie. Versuche, wieder ein bisschen zu schlafen.«
    Sophie hielt Beates Hand ganz fest.
    »Bist du noch da, wenn ich wieder aufwache?«
    »Natürlich bin ich da, Sophie. Für alle Zeit. Ich weiß, es ist der falsche Zeitpunkt, um darüber zu
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