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Gewitterstille

Gewitterstille

Titel: Gewitterstille
Autoren: Sandra Gladow
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Brief und Dein Angebot, zu uns zu kommen, um mich zu unterstützen. Ich fürchte nur, die Reise wird gerade jetzt schon wegen der Temperaturen allzu beschwerlich für Dich sein und uns am Ende auch nicht weiterbringen. Denn auch Du wirst sie nicht umstimmen können. Die Zustände hier sind unverändert, und ich bin in größter Sorge. Ich glaube, dass es das Beste sein wird, wenn …
    Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Sie war kalt und schweißnass. Mit zittrigen Fingern kramte er erneut sein Taschentuch hervor. Die Übelkeit packte ihn mit nie da gewesener Heftigkeit. Vor seinen Augen hingen dichte dunkle Schleier. Mit zitternden Beinen stand er auf, tastete sich zum Sofa hinüber, sackte jedoch unmittelbar davor zu Boden. Es war, als trüge er eine unsichtbare Krawatte, die ihm erbarmungslos die Luft abschnürte. Keuchend stieß er einige verzweifelte Hilferufe aus, aber niemand schien ihn zu hören. Im Haus blieb es still. Der Angstschweiß drang jetzt aus jeder Pore seines Körpers. Seine Augen, vor denen der Raum zu verschwimmen begann, suchten nach dem Telefon. Stöhnend kroch er auf allen vieren den endlos erscheinenden Weg zurück zum Schreibtisch, aber er hatte nicht genug Kraft, sich aufzurichten. Er reckte den Arm in die Höhe und tastete nach dem Apparat. Endlich gelang es ihm, das Telefon neben unzähligen weiteren Gegenständen vom Schreibtisch zu wischen. Die Ziffern der Anzeige flimmerten vor seinen Augen. Panisch versuchte er seinen Blick zu fokussieren und den Notruf zu wählen. Sein Keuchen wich schließlich einem verzweifelten Wimmern, bevor seine Angst endlich von einer herrlichen Ruhe abgelöst wurde, die sich wie ein schützender Mantel über ihn legte.

1. Kapitel
    A nna ließ die Haustür hinter sich ins Schloss fallen und atmete auf. Draußen war es seit Tagen brütend heiß, und allein der Weg vom Auto zum Haus hatte ausgereicht, um ihr den Schweiß auf die Stirn zu treiben. Sie streifte ihre Flip-Flops ab. Der Steinfußboden war angenehm kühl. Bei dieser Hitze schien selbst ihr kurzes Sommerkleid noch zu viel zu sein.
    »Ich bin wieder da«, rief sie.
    »Hallo, wir sind im Wohnzimmer.« Georgs angenehme Stimme klang gut gelaunt.
    »Ich bin gleich bei euch!« Anna beeilte sich, die Lebensmittel in dem großen amerikanischen Kühlschrank zu verstauen, den sie aus ihrem Haus am Priwall mitgenommen hatte. Das Gerät mit den Edelstahlfronten sah in der kleinen Küche mit den weißen Einbauschränken zwar etwas deplatziert aus, bot allerdings unglaublich viel Platz.
    »Was ist das denn?«, fragte sie, während sie vorsichtig über den Karton und die Plastikteile stieg, die überall auf dem Parkett im Wohnzimmer verstreut lagen.
    »Das ist eine Kinderküche mit integriertem Grill und Tiefkühlschrank – super, oder?« Georg war sichtlich begeistert.
    Anna hob die kleine Emily hoch, die ihre Ärmchen sofort um ihren Hals schlang und ihre Hände in der dunklen Lockenmähne ihrer Mutter vergrub. Anna nahm ihr ein Stück des Pappkartons aus der Hand, an dem Emily gerade genüsslich kaute. Ihr Kopf war schweißnass, und in ihrem Nacken kräuselten sich die Babylöckchen. Auch ihr machte die Hitze sichtlich zu schaffen.
    »Mama da!« Emily streckte den Arm in Georgs Richtung aus.
    »Papa«, berichtigte Georg, während er eifrig weitere Teile auspackte und das Verpackungsmaterial links von sich zu einem hohen Berg auftürmte.
    Die Begeisterung, die Emily empfand, wenn Georg in ihrer Nähe war, rührte Anna. Emily vergötterte ihren Vater. In letzter Zeit kam es immer häufiger vor, dass er seine Mittagspause oder angeblich ausgefallene Kundentermine nutzte, um unangemeldet in ihrer Tür zu stehen und Emily einen spontanen Besuch abzustatten.
    »Guck mal, Anna, ist das nicht toll? Zu der Küche ge hört ein komplettes Kochset. Wenn du willst, könnte Emily dir gleich ein Steak oder auch ein Spiegelei braten.« Georg hob eine Tüte mit diversen Plastiklebensmitteln in die Höhe und wedelte damit durch die Luft.
    »Mama, jamjam.« Emily begann auf Annas Arm ungeduldig zu strampeln. Anna stellte sie vorsichtig auf ihre nackten Füßchen, auf denen sie prompt wie ein betrunke ner Seemann auf Georg zuwankte, der sie auffing und zwischen seine Beine auf den hellen Flokatiteppich setzte. »Der Papa muss arbeiten.« Georg fischte die Aufbauanleitung unter seinem offenbar achtlos zu Boden geworfenen Businesssakko und seinen Schuhen hervor und klemmte sich diese zwischen die Zähne, während er
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