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Gewalt

Gewalt

Titel: Gewalt
Autoren: Steven Pinker
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Humanitäre Revolution.
    Der vierte wichtige Wandel fand nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs statt. In den zwei Dritteln eines Jahrhunderts fand eine beispiellose historische Entwicklung statt: Die Großmächte und ganz allgemein die höher entwickelten Staaten führten keinen Krieg mehr gegeneinander. Diesen gesegneten Zustand bezeichneten Historiker als den Langen Frieden. [2]
    Bei dem fünften Trend geht es ebenfalls um bewaffnete Konflikte, er steht aber noch auf tönernen Füßen. Auch wenn es für Zeitungsleser kaum glaubhaft erscheint: Organisierte Konflikte aller Art – Bürgerkriege, Völkermord, Unterdrückung durch selbstherrliche Regierungen und terroristische Anschläge – sind auf der ganzen Welt seit dem Ende des Kalten Krieges 1989 zurückgegangen. In Anerkennung der Tatsache, dass diese glückliche Entwicklung bisher nur vorläufiger Natur ist, bezeichne ich sie als Neuen Frieden.
    Und schließlich entwickelte sich in der Nachkriegszeit, die symbolisch 1948 mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte eingeleitet wurde, ein wachsender Widerwille gegen Aggressionen im kleineren Maßstab, unter anderem was Gewalt gegen ethnische Minderheiten, Homosexuelle, Frauen, Kinder und Tiere angeht. Diese Nebeneffekte des Konzepts der Menschenrechte – Bürgerrechte, Rechte der Homosexuellen, Frauenrechte, Kinderrechte und Rechte von Tieren – wurden seit Ende der 1950 er Jahre mit einer Fülle von Bestrebungen durchgesetzt; ich werde sie als Revolution der Rechte bezeichnen.
    Fünf innere Dämonen
(Kapitel 8 ): Viele Menschen glauben unausgesprochen an die Hydraulische Theorie der Gewalt: Danach haben Menschen einen inneren Aggressionsdrang (Tötungsinstinkt oder Blutdurst), der sich in uns aufstaut und sich von Zeit zu Zeit entladen muss. Nichts könnte weiter von den heutigen wissenschaftlichen Kenntnissen über die Psychologie der Gewalt entfernt sein. Aggression ist kein einzelnes Motiv und erst recht kein Drang, der sich aufbaut. Sie ist vielmehr das Produkt mehrerer psychischer Mechanismen, die sich in ihren äußeren Auslösern, ihrer inneren Logik, ihren neurobiologischen Grundlagen und ihrer gesellschaftlichen Verteilung unterscheiden. Das Kapitel 8 ist der Erklärung von fünf solchen Mechanismen gewidmet.
Räuberische
oder
ausbeuterische Gewalt
ist einfach die Anwendung von Gewalt als praktisches Mittel zum Zweck.
Herrschaftsstreben
ist der Drang nach Autorität, Ansehen, Ruhm und Macht, ob er nun die Form des Machogehabes Einzelner annimmt oder sich als Wettbewerb um Vorherrschaft zwischen ethnischen, religiösen oder nationalen Gruppen äußert.
Rache
ist der Antrieb für das moralistische Streben nach Vergeltung, Bestrafung und Gerechtigkeit.
Sadismus
ist Lust am Leiden anderer. Und
Ideologie
ist ein gemeinsames Glaubenssystem, das gewöhnlich eine Vision von einer utopischen Welt beinhaltet und im Streben nach dem unendlich Guten unendliche Gewalt rechtfertigt.
    Vier bessere Engel
(Kapitel 9 ). Menschen sind nicht von Geburt an gut (genau wie sie nicht von Geburt an böse sind), aber sie sind von Anfang an mit Motiven ausgestattet, aufgrund deren sie sich weg von Gewalt und hin zu Kooperation und Altruismus orientieren können.
Empathie
veranlasst uns (besonders im Sinne mitfühlender Sorge), die Schmerzen anderer zu empfinden und ihre Interessen mit unseren eigenen in Einklang zu bringen. Die
Selbstbeherrschung
ermöglicht es uns, die Folgen vorauszusehen, wenn wir unseren Impulsen nachgeben, und diese entsprechend im Zaum zu halten. Das
Moralgefühl
schreibt ein System von Normen und Tabus fest, die über die Wechselbeziehungen zwischen den Menschen in einer Kultur bestimmen – manchmal so, dass die Gewalt abnimmt, manchmal aber, wie wir noch genauer erfahren werden, auch so, dass sie wächst (wenn sich die Normen Stämmen, Autoritäten oder puritanischer Einstellung verdanken). Die Fähigkeit der
Vernunft
versetzt uns in die Lage, uns von unserem egozentrischen Blickwinkel zu lösen, unsere Lebensführung zu reflektieren, abzuleiten, auf welchen Wegen es uns bessergehen könnte, und die Tätigkeit der anderen besseren Engel unseres Wesens zu lenken. In einem Abschnitt beschäftige ich mich auch mit der Möglichkeit, dass der
Homo sapiens
in jüngster Vergangenheit ganz buchstäblich und im streng biologischen Sinn, nämlich durch Genomveränderungen, eine Evolution in Richtung geringerer Gewalttätigkeit durchgemacht hat. Im Mittelpunkt des Buches stehen aber die ausschließlich
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