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Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)

Titel: Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Autoren: Gisa Pauly
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worden war, dass sie mit ihrer Tochter Lucia viel Deutsch gesprochen hatte, um zu üben, und mit ihrer Nachbarin ebenfalls, die eine gebürtige Deutsche war. Dann wiederholte sie ihre Frage nach Donata Zöllners Familie.
    »Mein Mann ist viel unterwegs.«
    »Und Ihre Kinder? Sind sie wohlgeraten? Und was ist mit Enkelkindern?« Als sie sah, dass Donatas Augen sich verdunkelten und ihr Gesicht traurig wurde, ahnte sie, was kommen würde.
    »Ich hatte nur ein Kind, meinen Sohn Manuel«, begann sie mit leiser Stimme zu erzählen. Ein Sorgenkind sei er gewesen, zunächst von schwacher Gesundheit, später auch von schwachem Ehrgeiz und schwacher Entschlusskraft. Er habe die Schule hingeworfen, die Beziehungen seines Vaters genutzt, habe sich mal hier und mal dort anstellen lassen, es aber nirgendwo lange ausgehalten. »Er versuchte alles Mögliche, aber nichts machte ihm Spaß«, seufzte Donata Zöllner.
    Auf Carlottas Frage, wovon er gelebt hatte, wich sie aus, indem sie von Manuels Eheschließung erzählte. »Seine Frau war nicht die Richtige für ihn, das wusste ich gleich.« So war die Hochzeitsfeier kein rechtes Freudenfest geworden, und wie die Mutter es vorausgesagt hatte, geriet die junge Ehe schon bald in eine Krise. Verlegen gab Donata zu, dass daran allerdings nicht die Schwiegertochter, sondern ihr Sohn schuld gewesen sei. »Er hatte eine Affäre, und seine Frau kam dahinter. Sie können sich vorstellen, dass sie nicht begeistert war.«
    Oh ja, das konnte Mamma Carlotta sich vorstellen. Schließlich hatte es so etwas auch in ihrem Dorf gegeben. »Ein Carabiniere aus Perugia machte Urlaub in unserer Gegend. Anscheinend brauchte er ein bisschen Amore, um sich zu erholen.« Und da der Klavierlehrerin gerade einige Schüler wegen einer Masernepidemie ausgefallen waren, hatte sie viel Zeit und der Carabiniere leichtes Spiel gehabt. »War das ein Theater, als der Ehemann später von den Nachbarn alles erzählt bekam!«
    »Ja, so ähnlich war es bei Manuel und seiner Frau auch«, meinte Donata. »Sie hat ihm eine schreckliche Szene gemacht und ihm die Pistole auf die Brust gesetzt. Aber ihm fiel die Entscheidung schwer, er brauchte erst mal Abstand. Sowohl von seiner Frau als auch von seiner Geliebten.« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Beruflich hatte er auch große Schwierigkeiten zu dieser Zeit. Er wollte weg! Nichts mehr sehen von seiner kaputten Ehe, nichts hören von den Forderungen seiner Geliebten und die Augen verschließen vor den beruflichen Problemen. Also beschloss er, zusammen mit einem Freund ein paar Tage Urlaub zu machen. Das war 1999.« Die Tränen traten ihr in die Augen, als sie ergänzte: »Ich habe ihm sogar noch zugeredet. Die beiden wollten ins Aostatal, ich war davon überzeugt, dass Manuel sich dort gut erholen würde. Wir hatten oft gemeinsam dort Urlaub gemacht. Als kleiner Junge hat Manuel die Fahrt durch den Montblanc-Tunnel genossen. Wer konnte ahnen, dass gerade dort …« Donata versagte die Stimme. Sie griff nach ihrer Serviette und tupfte sich die Augen.
    Mamma Carlotta starrte sie mit offenem Mund an. »1999? Der Montblanc-Tunnel? Dio mio!«
    Obwohl es schon lange her war, konnte sie sich gut an die Fernsehberichte über das Inferno im Montblanc-Tunnel erinnern. Ein mit Margarine und Mehl beladener Laster war in der Mitte des Tunnels in Brand geraten, das Feuer hatte sich in rasender Geschwindigkeit ausgebreitet, giftige Dämpfe und eine unvorstellbare Hitze hatten das sofortige Eingreifen der Feuerwehr verhindert. Am Ende war es kaum möglich gewesen, die rund vierzig Opfer zu identifizieren, die meisten waren zu Asche verbrannt.
    »Es gab nicht mal sterbliche Überreste, die wir hätten beerdigen können«, sagte Donata leise. »Weder von Manuel noch von seinem Freund. Nur von dem Wagen, in dem die beiden unterwegs waren, wurde das Nummernschild gefunden. Somit hatten wir Gewissheit über das Schicksal unseres Sohnes.«
    Wieder brauchte Donata Zeit, um sich zu fassen. Und auch Mamma Carlotta war angesichts dieser Tragik unfähig, die richtigen Worte zu finden. Schließlich flüsterte sie: »Che disastro! Das ist das Schlimmste, was ich jemals gehört habe.« Mitleidig legte sie eine Hand auf die von Donata. »Ich weiß, wie es ist, ein Kind zu verlieren. Meine Lucia …«
    Es war halb elf, als Donata zur Uhr sah und nach ihrem Handy griff. Bittend sah sie Mamma Carlotta an. »Sie gestatten, dass ich noch einmal versuche, Magdalena zu erreichen? Wir haben noch keine
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