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Gestohlene Wahrheit

Gestohlene Wahrheit

Titel: Gestohlene Wahrheit
Autoren: Julie Ann Walker
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Augen und wartete.
    Sie hob das Kinn ein Stück höher, stellte sich aufrecht hin und sah ihn entschlossen an. »Ich dachte mir, dass du das so sehen würdest.« Noch ein Grund dafür, warum sie nicht angerufen und ihn auf ihr Kommen vorbereitet hatte. Er hatte sich keine Ausrede einfallen lassen sollen, um sie abzuwimmeln.
    Sie wirbelte auf dem Absatz herum und ging zu ihrem Wagen zurück. Während sie den Kofferraum öffnete und ihren Koffer herausholte, bedachte sie ihn innerlich mit jedem nur denkbaren Schimpfwort und verfluchte sowohl ihn als auch die gnadenlos auf sie herabscheinende Sonne. Sie stellte den Rollkoffer auf den Boden, zog den Teleskopgriff heraus, schob sich den Riemen ihrer Handtasche etwas weiter auf die Schulter und marschierte zu Nate zurück, während ihr einige Schweißtropfen zwischen den Schulterblättern herunterrannen.
    Sie war sich nicht sicher, ob ihre schlechte Laune an der sengenden Hitze lag oder daran, dass sie sich in Nates Nähe aufhielt. Vielleicht war es auch beides. Oder sie war einfach nur sauer, dass sie diese Reise überhaupt hatte machen müssen.
    Grigg hatte es schon zu Lebzeiten geschafft, sie in mehr unangenehme Situationen zu bringen, als ihr lieb war, auch wenn er sie stets wieder daraus befreit hatte. Doch es war unerträglich, dass ihr heiß geliebter, idiotischer großer Bruder sie selbst aus dem Grab heraus noch in seine zweifelhaften Angelegenheiten mit hineinzog.
    Das größte Problem dabei war, dass er ihr dieses Mal unmöglich zu Hilfe eilen konnte.
    Aus genau diesem Grund war sie jetzt hier, schmolz in den Hitzewellen, die vom Chicagoer Straßenpflaster aufstiegen, und verharrte mit zum Zerreißen gespannten Nerven in der Stille, während sie darauf wartete, dass Nate etwas sagte …
irgendetwas
.
    Natürlich war diese Hoffnung ebenso konstruktiv, als würde sie gegen den Wind pinkeln, denn er stand weiterhin einfach nur da, starrte sie an und bewegte nicht einen Finger, um ihr mit ihrem Gepäck zu helfen, dieser elende, einzigartige Schweinehund.
    »Und, wo machen wir’s?«, fragte sie schließlich, weil sie das drückende Schweigen nicht länger ertragen konnte.
    Eine Sekunde lang loderte etwas in seinen Augen auf, ein kurzes Flackern, das seinen teilnahmslosen finsteren Blick aufhellte. Dann war es, was immer es auch gewesen war, so schnell wieder verschwunden, dass sie sich schon fragte, ob es wirklich da gewesen war.
    Nein, beschloss sie, ganz bestimmt nicht, denn das würde bedeuten, dass sie irgendeine Emotion in ihm hervorgerufen hätte, und soweit sie es beurteilen konnte, war dieser Mann nichts als ein Cyborg.
    »Und?«, hakte sie ungeduldig nach, als der Riesentrottel einfach nur reglos dastand. Nate hatte eine Art zu schweigen, bei der er auf sie immer wie ein Raubtier wirkte und die sie verwirrte. Selbst der Rothaarige wandte den Blick von den Monitoren ab und sah sich das kleine Drama an, das sich direkt vor seinen Augen abspielte.
    Na super.
    »Du willst hierbleiben? Bei mir?«
    Warum klang das so, als würde sie ihr Leben aufs Spiel setzen?
    »Ja, das habe ich vor. Ich habe die letzten zwanzig Stunden im Wagen verbracht und habe jetzt nicht die Geduld, weitere zwanzig Stunden wieder nach Hause zu fahren. Vom Essen in den schäbigen Raststätten bekomme ich nur Blähungen, und durch das viele Koffein drehen sich meine Augen mittlerweile wie Flipperkugeln. Ich bin hundemüde. Ich habe Durst. Ich werde auf keinen Fall in ein Hotel gehen. Die Gründe dafür erkläre ich dir, sobald du mich reingebeten hast, und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du das bald tun würdest, da ich keine Lust mehr habe, noch länger in dieser Hitze rumzustehen. Ich dachte, der Sommer in Chicago wäre angenehmer, aber hier ist es ja wie in einem gottverdammten Glutofen. Wenn ich mich nicht täusche, hat mein Deo längst versagt, und diese riesengroße Limo, die ich an der Grenze zu Indiana gekauft habe, will irgendwann auch mal wieder raus. Also ja, ich habe vor, hier bei dir zu bleiben.«
    Sie hatte es schon wieder getan. Das verräterische Pochen in seinem Kiefer sagte ihr, dass er der Ansicht war, sie habe ihn erneut mit einer Riesenladung verbalen Durchfalls überschüttet.
    Aber sie sagte sich, dass sie wenigstens die erste Hürde genommen und ihn über ihre Absichten informiert hatte, selbst wenn sie es umständlich und überaus wortreich getan hatte.
    »Wie lange?«, erkundigte er sich mit grimmiger Miene.
    »So lange es dauert.« Sie reckte ihr Kinn und sah ihn
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