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Gesprengte Ketten

Gesprengte Ketten

Titel: Gesprengte Ketten
Autoren: Jessica Stein
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seinen Mund ab. "Die Erziehungsmethoden meines Großvaters sind nicht zu em pfehlen, aber sie waren äußerst wirksam. Es dauerte Jahre, bis ich es wagte, wieder ein Fieberthermometer anzufassen."
    "Du Armer", meinte Laura und zwinkerte Sarah Maiwald zu.
    Prof. Dr. Waller war mit dem Verlauf des Abends sehr zufrieden. Die Stimmung auf der Terrasse und im Wohnzimmer hätte nicht besser sein können. Das Essen war ausgezeichnet, genauso der Wein, den er bei einem ortsansässigen Weinhaus bestellt hatte.
    Rosemarie Gerlich und Gesa Wieland agierten im Hintergrund und sorgten dafür, dass es keinem seiner Gäste an etwas fehlte. Selbst Mimi, die gern im Mittelpunkt stand, benahm sich an di esem Abend ausgezeichnet und drängte sich niemanden auf.
    Nur Dr. Erlenbusch machte ihm Sorgen. Der Orthopäde stand an der Terrassenbrüstung und starrte in die Nacht hinaus. Er wirkte so verloren, dass der Professor am liebsten zu ihm gega ngen wäre und den Arm um seine Schultern gelegt hätte. Genauso verzweifelt war er nach dem Tod seiner Frau gewesen. Es hatte Jahre gebraucht, bis er über seinen Schmerz hinweg gekommen war.
    Ich sollte mit ihm über den Tod seiner Frau sprechen, dachte er. Nicht an diesem Abend! Nicht im Beisein der anderen, sondern wenn sie miteinander allein waren. Vielleicht konnte er ihm ein wenig helfen, immerhin hatte er dieselbe E rfahrung gemacht.
    "Sollten wir nicht alle auf eine gute Nachbarschaft und eine gute Zusammenarbeit anstoßen?", fragte Dr. Joachim Manfeld, der zusammen mit Dr. Carola Wiedemann eine Zahnarztpraxis mit angeschlossener Kieferchirurgie betrieb. "Sobald werden wir s icher nicht mehr alle auf einem Fleck zusammen sein."
    "Eine fabelhafte Idee, Herr Manfeld", meinte der Professor und bat Rosemarie Gerlich Gläser und Champagner zu bringen.
    * * *
    Während des ganzen Wochenendes hatte Laura Ravens darauf gehofft, dass sich Jannic bei ihr melden würde. Er hatte es nicht getan! Nie zuvor war sie so verzweifelt gewesen. Es kam ihr vor, als würde sie tiefer und tiefer in einen dunklen Abgrund sinken. Vergeblich versuchte sie, sich aus diesem Abgrund zu befreien. Je mehr sie kämpfte, umso tiefer sank sie.
    Am Montagnachmittag hatten ihre Mutter und sie einen Termin bei Dr. Marquard. Laura konnte sich kaum auf den Beinen halten. Sie war so müde, so erschöpft. Seit Tagen konnte sie nachts nicht mehr schlafen. Es fiel ihr auch schwer, etwas zu essen. Bei jedem Bissen, den sie in den Mund steckte, verkrampfte sich ihr Magen. Ihre Kopfschmerzen wurden unerträglich. In der vergangenen Nacht war sie aus ihrem Zimmer geflohen und stundenlang im Garten herumgelaufen.
    Die junge Frau hörte nur mit halbem Ohr auf ihre Mutter, die während der Fahrt in die Innenstadt über die Schmerzen in ihrem Knie klagte. Mit den Gedanken war sie weit weg.
    "Laura, hörst du mir überhaupt zu?", fragte Gertrud Ravens. "Laura!"
    Laura zuckte zusammen. "Du solltest mich nicht so erschre cken, wenn ich am Steuer sitze, Mama", sagte sie und hielt vor einer Ampel.
    "Dann hör mir bitte zu, wenn ich mit dir rede."
    Laura antwortete nicht. Als die Ampel auf Grün schaltete, fuhr sie über die Straße und bog in den Hof des Ärztehauses ein. Sie fuhr in die Tiefgarage hinunter.
    "Nimm mit deiner Mutter noch im Wartezimmerplatz, Laura", bat Celine Barth, als sie wenig später die Praxis betraten. "Wie geht es Ihnen, Frau Ravens?", erkundigte sie sich freundlich und öffnete die Tür zum Wartezimmer.
    "Ich hatte kein gutes Wochenende", erwiderte Gertrud Ravens.
    Celine ging hinter die Rezeption und suchte die Krankenakten der Ravens heraus.
    "Laura Ravens sieht heute entsetzlich aus", flüsterte ihr Annika Herziger zu.
    "Das ist mir auch aufgefallen", bestätigte Celine. "Wer weiß, was über das Wochenende vorgefallen ist. Sie sollte endlich bei ihren Eltern ausziehen." Sie legte die Krankenakten auf den Schreibtisch des rechten Sprechzimmers.
    Im Wartezimmer saßen bereits mehrere Patienten, die zum Verbinden und zum Spritzen gekommen waren. Eine ältere Frau sollte eine Ozontherapie erhalten. Sie unterhielt sich lebhaft mit Gertrud Ravens über diese Therapie. "Sie wirkt Wunder", sagte sie begeistert. "Ich kann sie nur jedem empfehlen."
    Laura blätterte lustlos in einer Frauenzeitschrift. Mit ihren G edanken war sie bei Jannic. Sie fragte sich, ob er wohl an sie dachte. Konnte man einfach einen Menschen vergessen, der einem noch vor einigen Tagen wichtiger als alles andere gewesen war? Noch auf der Fahrt zum
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