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Gespensterjäger in der Gruselburg

Gespensterjäger in der Gruselburg

Titel: Gespensterjäger in der Gruselburg
Autoren: Cornelia Funke
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grausamen kleinen Kriegen, von Königsbesuchen, Feuersbrünsten, die die halbe Burg vernichteten, und von Cholera und Pest, die auch vor den dicken Burgmauern nicht haltmachten.
    »Hört sich ja alles scheußlich an!« stöhnte Tom irgendwann. »Also das hab’ ich mir romantischer vorgestellt.«
    »Was?« fragte Hedwig Kümmelsaft.
    »Na, das Leben auf so ’ner Burg«, sagte Tom.
    »Nein, weiß Gott, romantisch war daran bestimmt nichts«, murmelte Hedwig Kümmelsaft. »Vor allem nicht, wenn man
    zum arbeitenden Teil der Bewohner gehörte.« Plötzlich runzelte sie die Stirn. »Moment mal. Da ist was.« Vorsichtig strich sie die zerknitterten Seiten glatt. »Ja, das ist unser Gespenst. Hört zu:
    Am 14- November 1623 heiratete die Gräfin Jaspara von Mauswitz den Baron von Dusterberg zu Krötenstein, den sie schon im Jahr darauf bei einem heftigen Streit erdolchte. Daraufhin regierte die Baronin viele Jahre ungerecht und grausam. Vom Volk erhielt Jaspara schon bald den Beinamen die Blutige Baronin, weil sie oft, blutbespritzt von der Jagd, über die Felder ritt. Doch sie trug diesen Beinamen auch noch aus anderen Gründen zu Recht, denn sie verkaufte ihre Bauern als Soldaten, um immer neue Pferde und Hunde für ihr liebstes Hobby anzuschaffen: die Jagd.
    Wilderer richtete sie höchstpersönlich hin, indem sie sie eigenhändig in den Burggraben stieß. Erst zehn Jahre nach dem Mord an ihrem Gatten ereilte sie die gerechte Strafe für dieses Verbrechen. Die Schwester ihres gemeuchelten Ehemannes…«
    Hedwig Kümmelsaft hob den Kopf und lauschte.
    »Was ist?« fragte Tom beunruhigt.
    Frau Kümmelsaft legte warnend den Finger auf die Lippen.
    »Hört ihr das?« flüsterte sie.
    »Ein Pferd!« rief Herr Wurm. »Es klingt wie ein Pferd!«
    Lauter und lauter wurde das Geräusch. Ein scharfes Getrappel. Es kam immer näher. Hufe galoppierten dröhnend durch die langen Gänge der Burg.
    Der GEMEG-Seismograph surrte und blinkte wie verrückt.
    »Achtung!« schrie Tom. Die galoppierenden Hufe dröhnten ihm in den Ohren. »Achtung, sie kommt!«
    Mit einem gellenden Schrei flog die Blutige Baronin auf ihrem Geisterpferd durch die geschlossene Tür der Bibliothek. Schnaubend landete das bleiche Pferd nur einen Meter vor dem armen Herrn Wurm. Wild rollte es mit den roten Augen und blähte die Nüstern. Seine Mähne schlängelte sich in der Luft wie ein Bündel Schlangen.

    Die Baronin aber saß mit flatterndem Haar im Sattel, in der Hand ein riesiges Schwert, mit dem sie wild in der Luft herumfuchtelte. Scheußlich sah sie aus, und ihre Augen funkelten rot in dunklen Höhlen. Mit wirrem Haar und einem Brustpanzer über dem wallenden Kleid grinste sie auf die Gespensterjäger hinunter.
    »Gihiiiib mir das Buuuuch!« rief sie drohend, und ihre bleiche Hand griff durch die Luft.
    Wimmernd kauerte sich der arme Herr Wurm auf dem Boden zusammen.
    »Das Buch kriegst du nicht!« rief Tom, sprang vor und sprühte dem Pferd Salzwasser in die Nüstern.
    Frau Kümmelsaft rammte den Eisendorn des Stromwärmewandlers in den Fußboden, riß sich die Schnur von der Schulter und wirbelte sie wie ein Lasso über dem Kopf herum. Mit sicherer Hand warf sie der Baronin den Stecker genau in den Mund. Erstaunt klappte die den Mund zu, machte ihn wieder auf und versuchte, den Stecker auszuspucken. Aber das wollte ihr einfach nicht gelingen.
    In der Bibliothek wurde es warm, warm und immer wärmer. Der Eisendorn begann rot zu glühen. Die Blutige Baronin und ihr Pferd schwankten. Ihre Umrisse verschwammen, als wären sie flüssig.
    »Aaaaahhhh!« schrie die Baronin, während ihr Pferd sich mit schwabbelnden Beinen unter ihr aufbäumte. »Hööööör auf, hööööör sofoooooort auuuuuf!«
    Aber Hedwig Kümmelsaft dachte natürlich gar nicht daran.
    »Schmeckt dir das nicht, Jaspara?« rief sie.
    Da kreischte das Gespenst wütend, riß sein Pferd herum, gab ihm die Sporen und galoppierte auf eins der Fenster zu. Die Fensterflügel sprangen auf, und mit einem gewaltigen Satz sprang das Geisterpferd samt seiner scheußlichen Reiterin über die Brüstung und stürzte sich in den Burggraben.
    Herr Wurm, Tom und Frau Kümmelsaft rannten ans Fenster und sahen gerade noch, wie die Blutige Baronin im brodelnden Wasser versank.
    »Na, in dem Buch muß ja eine Menge Interessantes über die Dame drinstehen«, sagte Tom.
    »Hoffentlich!« sagte Hedwig Kümmelsaft.
    Herr Wurm stand immer noch am Fenster und starrte hinunter in das dunkle Wasser.
    »Sie wird
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