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Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall

Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall

Titel: Geschmacksverwirrung - Angermüllers siebter Fall
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Argument. Als Lina genau dagegen aufbegehren wollte, ließ er sie nicht zu Wort kommen.
    »Und ich mache das vor allem auch für mich selbst. Ich sehe das als Schlusspunkt eines finsteren Kapitels in meinem Leben. Ich will nicht trauern, sondern etwas endgültig ad acta legen. Und ich glaube, das kann eine echte Befreiung sein.«
    So hatte Lina schließlich eingewilligt. Gemeinsam hatten sie alles für die Beerdigung vorbereitet, da Dagmar damit ohnehin völlig überfordert gewesen wäre. Der Pastor hatte eine kurze Trauerrede gehalten, basierend auf Dagmars Auskünften zu Victor, die natürlich alle aus der Vergangenheit stammten. Die sehr übersichtliche Trauergemeinde, der sich neben Christa Baldauf mit ihrem Mann nur noch eine etwas spröde wirkende Bekannte Victors aus der Lübecker Zeitung zugesellt hatte, war dem Sarg im strömenden Regen gefolgt. Auch Olaf war mitgekommen, was Lina ihm hoch anrechnete. Er hatte sie letztendlich überzeugt, dass diese Beerdigung ein wichtiger Abschluss sein könnte – von vielerlei Dingen, auch für sie. Und er schien recht zu behalten.
    Es war tatsächlich ein gutes Gefühl, als alles vorbei war, so als hätte man endlich seine Wohnung aufgeräumt, Altes aussortiert und die Dinge, die irgendwo herumlagen, in Kartons gepackt und an die richtigen Plätze gestellt. Lina griff nach einem Ast, den die stürmische See angeschwemmt hatte, zeigte ihn den Hunden und warf ihn mit dem Wind weit über den Strand. Teufel und Madame schossen davon, dem Ast hinterher. Als sie ihn erreicht hatten, balgten sie sich spielerisch darum, bellten und vollführten wahre Bocksprünge.
    Sie musste plötzlich an Dagmar denken.
    »Warum bist du so unbarmherzig mit ihr?«, hatte Lorenzo neulich auch gefragt. »Mit Victor scheinst du komischerweise weniger Probleme gehabt zu haben, während du ihr immer noch Vorwürfe machst. Aber Mama hat auch unter Victor gelitten, wenn auch anders als wir, und sie hat noch mehr gelitten, als er sie verlassen hat. Findest du nicht, sie kann einem nur leidtun?«
    Natürlich hatte Lina inzwischen begriffen, dass ihre Mutter eine kranke Frau war, schon immer gewesen war. Ihre Ablehnung hatte ja eh schon begonnen, sich in Mitleid zu verwandeln. Trotzdem würde sie für Dagmar wohl nie so uneingeschränkte Zuneigung empfinden können wie Lorenzo. Es fehlte das Verbindende, sie waren wohl einfach zu verschieden. Und nichts hatte mehr Schatten auf ihr eigenes Leben geworfen als Dagmars hilfloses Versagen.
    Immerhin gab es zurzeit eine gewisse emotionale Annährung zwischen ihnen, auch wenn diese sich auf den Hund beschränkte, den Lina für Dagmar besorgt hatte, da Lorenzo sich mit Tieren überhaupt nicht auskannte. Dagmar hatte sich ein süßes, kleines Hundebaby vorgestellt, doch Lina hatte eine Mischlingshündin aus dem Tierheim geholt, da sie es für sinnvoller hielt, einem solchen Tier ein neues Zuhause und seine Fürsorge zu geben. Sally hieß die Hündin, war vielleicht ein Jahr alt, mittelgroß, mit hübschem, schwarzweißem Fell und offenem Blick. Sofort waren Dagmar und ihre neue Gefährtin ein Herz und eine Seele gewesen.
    Trotz dieser kleinen positiven Zeichen sah Lina dem Weihnachtsfest mit großer Skepsis entgegen. Es war ein Experiment. Lorenzo wollte aus Italien kommen, und sie wollten sich Heiligabend bei Dagmar treffen, auch Olaf würde dabei sein. Es sollte ein richtiges kleines Familienfest werden, aber noch hatte das Wort Familie für Lina einen eher negativen Klang.
    Auch manches andere war in Gang gekommen. Olaf hatte mit seinen Eltern gesprochen und ihnen seine Pläne für das Bio-Hotel offenbart. Und er hatte klargemacht, dass er nur unter diesen Bedingungen die Nachfolge im Familienbetrieb – schon wieder dieses Wort! – übernehmen würde, gemeinsam mit Lina. Und sie würden nicht heiraten, aber zusammenleben. Natürlich mussten Olafs Eltern erst einmal schlucken, aber Olaf war ihr einziges Kind, und so vertrauten sie ihm und ließen ihn machen.
    Lina rannte hoch zur Promenade. Jetzt hatte sie genug von der kalten, frischen Luft getankt. Ein neuer Arbeitstag im ›Torten, Suppen, Meer‹ wartete auf sie. Teufel und Madame tobten um sie herum. Nur noch drei Wochen bis Silvester. Lina war sehr gespannt. Auf Weihnachten, auf das neue Jahr, auf die Zukunft.
     
    Leise summte Angermüller vor sich hin, während er Käse auf einem großen Holzbrett arrangierte, einige Feigen und ein Bündel Weintrauben dazwischen legte und sich dann ans Dekorieren
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