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Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Titel: Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)
Autoren: Jürgen Osterhammel , Emily S. Rosenberg , Akira Iriye
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Blutvergießen, sobald große Nationalstaaten aufeinander losgingen. Der «Great War» in Europa wurde gerade wegen der globalen Verbindungen, die in den Jahrzehnten zuvor geschaffen worden waren, zum Weltkrieg. Die Unterstützung für England und Frankreich wurde immer breiter und umfasste einen Großteil des amerikanischen Kontinents, Australien, Neuseeland und Japan. Die Deutschen dehnten ihren Machtbereich auf islamische Regionen aus und führten in Afrika südlich der Sahara mit Erfolg ostafrikanische Kolonialtruppen gegen ein Bündnis aus Briten, Südafrikanern, Franzosen, Belgiern und Portugiesen. Der Weltkrieg kostete mehr als 16 Millionen Menschen das Leben, 21 Millionen wurden verwundet, das Russische, das Habsburgische, das Deutsche und das Osmanische Reich zerfielen.
    Auch wenn der Erste Weltkrieg die Netzwerke von Handel, Finanzwesen und persönlichen Beziehungen vorübergehend zerstörte, führte er doch die sich beschleunigende Vernetztheit der Welt vor Augen. So waren sich zum Beispiel alle Nationen immer deutlicher bewusst, dass sie Zugang zu strategischen Rohstoffen und die Kontrolle über die Kommunikationsnetze besitzen mussten. Zudem verließen Millionen von Soldaten ihre Heimatorte und machten sich auf den Weg zu fernen Schlachtfeldern. Diejenigen, die überlebten, kehrten oft verändert zurück – einige gebrochen, einige mit erweitertem Horizont. (Ein populärer amerikanischer Nachkriegssong, den vor allem afroamerikanische Jazzorchester gern zum Besten gaben, fragte: «How ya’ gonna keep ’em down on the farm, after they’ve seen Paree?») Gegen Ende des Krieges zeugte die verheerende Grippepandemie von der Durchlässigkeit politischer Grenzen und vom todbringenden Charakter globaler Kriegsführung.
    Als der Krieg und sein Ende ökonomische Verlagerungen, eine sich ausbreitende Krankheit und das Gespenst des Hungers nach Europa brachten, kam es zur Auseinandersetzung zwischen konkurrierenden Ideologien: Kommunismus, liberalem Republikanismus und Faschismus. Sie wetteiferten darum, eine neue Ordnung für die Welt anzuführen, und ihre Rivalitäten beherrschten die Weltgeschichte von den 1920er bis zu den 1940er Jahren und darüber hinaus. Zwar konnte sich jede dieser Formen beispielhaft innerhalb bestimmter Nationalstaaten entfalten und zehrte von bestimmten Nationalismen, doch fanden sie jeweils auch quer durch transnationale Netzwerke Anhänger. Der Erste Weltkrieg untergrub somit nicht nur die alte europäische Ordnung, sondern seine Nachwirkungen lieferten auch den Kontext für die wachsende Macht antikolonialer Bewegungen sowie für die ideologischen und geopolitischen Rivalitäten, die in einen noch viel größeren Weltkrieg münden sollten.
    Angesichts der Belastungen der 1920er Jahre und der ökonomischen Implosion der 1930er Jahre zerfielen die politischen Gemeinwesen in vielen Ländern in Lager, die sich im übertragenen wie im wörtlichen Sinne bekriegten, während sie im Innern wie nach außen Netzwerke von Verbündeten und Feinden aufbauten. Die sich wie ein Krebsgeschwür ausbreitende Weltwirtschaftskrise – mit Bankenkrisen, Währungsabwertungen, Arbeitslosigkeit und schrumpfendem Handelsvolumen – lieferte den Beleg dafür, wie sehr das ökonomische System globalisiert war, und löste scharfe Gegenreaktionen aus. In den meisten Ländern und Imperialzonen gipfelten sie im Ruf nach einer Abkehr vom Goldstandard, stärkerem Protektionismus und der Schaffung regionaler Handelsblöcke – alles nationalistische Infragestellungen des liberalen Ideals ökonomischer Globalisierung. Die Sowjetunion, die sich abseits und vom Goldstandard fern gehalten hatte, blieb vom Abschwung weitgehend verschont. Sowjetische Politiker feierten den offenkundigen Bankrott des Kapitalismus und verkündeten die Überlegenheit der zentralen staatlichen Wirtschaftsplanung. Gleichzeitig zeugten die Imperialträume der expansionistischen Regime in Deutschland und Japan von einer ganz anderen Vision dessen, wie eine neue Form der Globalisierung unter ihrer Herrschaft aussehen könnte.
    Die USA, die stärkste Volkswirtschaft der Welt, wandten sich angesichts der globalen Depression Anfang der 1930er Jahre nach innen und konnten die Rolle eines ökonomischen Stabilisators nicht mehr ausfüllen, während der Goldstandard der Zwischenkriegszeit antizyklischen Eingriffen von Nationalstaaten entgegenwirkte. Während die Institutionen der liberalen Demokratie schwächer wurden, gewannen Kommunisten- und
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